Changing Society: Lithuania

04.10.2002 — 22.12.2002

Anlässlich des diesjährigen Gastlandes Litauen der Buchmesse Frankfurt veranstaltete der Frankfurter Kunstverein eine Ausstellung litauischer Videokunst. Es wurden Arbeiten von Gintaras Makarevicius, Egle Rakauskaite, Laura Stasiulyte und Vita Zaman gezeigt.

Litauen ist der Mittelpunkt Europas, zumindest geographisch. Quer durch das Land verläuft die Markierung, die den westlichsten Teil der ehemaligen Sowjetunion zum Zentrum Kontinentaleuropas erhebt. Als Beitrittskandidat der Europäischen Gemeinschaft wiederum repräsentieren Litauen und das Baltikum die östlichste Expansion der Staatengemeinschaft.

Dass der filmischen Produktion eines Landes sowohl im cinematografischen wie künstlerischen Bereich vielfach seismografische Funktion zukommt, wenn es um die Darstellung der verschiedenen Effekte historischer Umbruchperioden geht, haben vergangene Ausstellungen zum Thema postkommunistischer Grenzverläufe gezeigt. Auch die Ausstellung „Changing Society: Lithuania“ im Frankfurter Kunstverein thematisierte die Situation eines post-sowjetischen Staates, der politische Stabilität erlangt hat, in den Binnenzonen von Politik und Gesellschaft jedoch noch immer nach geeigneten Bildern zur Selbstrepräsentation sucht. Die Videoarbeiten und -installationen von Gintaras Makarevicius, Egle Rakauskaite, Laura Stasiulyte und Vita Zaman beschäftigen sich mit der modernen Seite Litauens, indem sie gerade das aus diesem Bild Ausgeblendete zeigen. Sie stellen die Schwierigkeiten im Anpassungsprozess an das „neue Europa“ in den Vordergrund, aktivieren die aus der nationalen Repräsentation ausgeblendete Historie oder beobachten die Mikrostrukturen kultureller Veränderung. Grundthese scheint dabei zu sein, dass sich die komplexen und widersprüchlichen Konstruktionen kultureller Identität nicht nur in sozialen Verhältnissen und politischen wie ökonomischen Zusammenhängen diskutieren lassen, sondern auch in ästhetischer Praxis. Litauen als vergleichsweise kleines osteuropäisches Land steht exemplarisch für die gesell-schaftlichen Veränderungen vom Sozialismus zur freien Marktwirtschaft. Wo alle Welt von Globalisierung spricht, steht dieses Land noch vor der Frage, wo die eigene Zugehörigkeit in der so genannten Weltgemeinschaft liegt – und was der Begriff „Nation“ im emanzipatorischen Sinn überhaupt bedeutet.

Die Ausstellung wurde vom Informationszentrum für Zeitgenössische Kunst, Vilnius, mitorganisiert und vom Auswärtigen Amt, dem Kultusministerium Litauen und der Stiftung für Kultur und Sport der Republik Litauen unterstützt. Changing Society: Lithuania war Teil des Kulturprogramms zum Gastland Litauen der Buchmesse Frankfurt 2002.

Zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen, hrsg. von Lolita Jablonskiene und Nicolaus Schafhausen, dt./engl. Verlag Lukas & Sternberg, ISBN 0-9711193-9-2