Rückbindung an Welt: Über das Poetische in Elementen und Materialien

31.10.2018 — 13.01.2019

Ausstellungseröffnung: Dienstag, 30. Oktober 2018, 19.30 Uhr

„Ein rein verstandesmäßiges Weltbild ganz ohne Mystik ist ein Unding.“
(Erwin Schrödinger)

Die KünstlerInnen der Ausstellung Rückbindung an Welt, Hicham Berrada, Lucy Dodd und Sam Falls, suchten in ihren Werken nach existenziellen Grundparametern, die unsere Verbundenheit mit einem übergeordneten Ganzen herstellen, und zeigten neue Wege der Rückbindung an Natur und Welt auf. Sie formulierten ihr Werk im Umfeld eines historischen Moments, in dem der Mensch durch digitale Mittel von den Bedingungen, die Zeit und Raum stellen, zunehmend entkoppelt wird.

Die unterschiedlichen künstlerischen Interessen von Hicham Berrada, Lucy Dodd und Sam Falls eint der Versuch, die Welt zu verstehen, indem sie die Elemente und Materialien unserer Umwelt begreifen und ihre verbindenden Zusammenhänge verfolgen. Die Werke der KünstlerInnen entstehen aus einer Resonanz mit den Materialien, die Teil unseres Lebens sind. Sie nutzen natürliche Phänomene, aktivieren Zeitprozesse und arbeiten mit organischen Stoffen. Die Werke entspringen dabei als Spuren dieser Abläufe und Materialien. Ausgehend von der Erforschung der Wirkmechanismen ihrer Substanzen setzen sie das Potenzial von Kunst ein, den Menschen in das Gefüge der Welt einbinden zu können und eine neue Verortung mit den ihn umgebenden Prozessen zu entwerfen. Das künstlerische Arbeiten von Hicham Berrada, Lucy Dodd und Sam Falls ist dabei an der Schnittstelle von ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten, angewandter Wissenschaft und praktischer Philosophie angesiedelt. In der poetischen Befragung der Natur der Welt spüren sie Formen auf, die darstellen, warum alles so ist, wie es ist.

Seit bereits einigen Jahrhunderten ist die Kunst der Ort, um die Erfahrung menschlicher Existenz mit dem Verlangen nach einer Beziehung zu unserer Umgebung herzustellen. Das Instrumentarium der Künste ist bis heute das uns am besten gegebene Mittel, um das Gefüge der Existenz begreifbar zu machen. Es bietet die einmalige Fähigkeit Diskurs, Mythen und Poesie miteinander zu verbinden und einen vielschichtigen Blick auf das Leben, die Erde und was wir von ihr wissen, zu werfen. In einer Zeit, in der über die Welt unendlich viel Wissen in Form von Daten und Informationen als Zahlen- und Faktensammlungen vorhanden ist, scheint ein tieferes Verständnis von den Zusammenhängen des Lebens verloren gegangen zu sein. Im Blick der gegenwärtigen Erkenntnisse der Naturwissenschaften ist es aber so notwendig wie noch nie, ihr komplexes Wissen mit neuen Erzählungen zu verbinden, um ein sinnstiftendes Selbstverständnis des Menschen im Umgang mit der Welt zu schaffen. In vielen Bereichen der Gesellschaft und nicht zuletzt in der drängenden ökologischen Frage manifestiert sich das Fehlen eines Gesamtbildes, in dem der Mensch sich als Teil eines größeren Ganzen versteht und eingebettet sieht.

Die seit der Aufklärung verbreitete Auffassung, dass die Natur zur auszubeutenden Ressource reduziert werden kann, führte zu einer Kultur, in der technologischer Fortschritt zur obersten Losung geworden ist. Ein unaufhörliches Aufkeimen von ökologischen Krankheiten wie Hitzewellen, Artensterben und Umweltverschmutzung, die durch das Prinzip dieser wirtschaftlichen Nutzbarmachung der Natur verursacht werden, zeigt allerdings die Grenzen jenes Systems auf. PhilosophInnen, WissenschaftlerInnen aus zahlreichen Fakultäten, Intellektuelle und KünstlerInnen verweisen auf die dringliche Notwendigkeit eines radikalen Kulturwandels.

Wie kann ein so einschneidender Kulturwandel vollzogen werden? Welche Rolle können die Künste einnehmen, deren Einmaligkeit und Besonderheit darin liegt, über bloßes Faktenwissen hinaus, Kraft einer poetischen Sprache, veränderte Perspektiven und Anschauungsweisen auf das erweiterte Gefüge der Existenz begreifbar zu machen? Die drei KünstlerInnen der Ausstellung Rückbindung an Welt geben durch ihre komplexe Praxis Einblick in die Möglichkeit, sich dem Wesen der Welt zu nähern und den Platz der menschlichen Existenz in diesem großen Ganzen zu definieren.

Kuratorin: Franziska Nori