Foam Talent | Frankfurt: Junge Internationale Fotografie

24.05.2018 — 26.08.2018

Eröffnung: Mittwoch, 23. Mai 2018
um 19 Uhr im Rahmen der Fotografietriennale RAY 2018 im Zollamt (Domstr. 3) /
ab 20 Uhr im Frankfurter Kunstverein (Markt 44)

Mit Sushant Chhabria, David De Beyter, Mark Dorf, Alinka Echeverría, Weronika Gęsicka, Wang Juyan, Thomas Kuijpers, Quentin Lacombe, Clément Lambelet, Namsa Leuba, Erik Madigan Heck, Alix Marie, Martin Errichiello & Filippo Menichetti, Wang Nan, Kai Oh, Viacheslav Poliakov, Ben Schonberger, Sadegh Souri, Harit Srikhao und Vasantha Yogananthan.

Der Frankfurter Kunstverein präsentiert erstmals in Deutschland die international renommierte Überblicksschau Foam Talent in Kooperation mit dem Foam Fotografiemuseum Amsterdam. Die Ausstellung gilt als eines der innovativsten Formate, um aktuelle Trends und Tendenzen der Fotografie aufzuspüren.

Die Ausstellung präsentiert 20 junge künstlerische Positionen, die in umfassenden Werkensembles das Bild einer Generation zeichnen, die sich mit Fragen der individuellen sowie der gesellschaftlichen Identität, den Auswirkungen territorialer Konflikte, Phänomenen der Subkultur bis hin zu den Möglichkeiten der fotografischen Produktion auseinandersetzt. Eine Reihe von KünstlerInnen bedienen sich anthropologischer Methoden und begeben sich für ihre Projekte auf eine intensive Langzeitrecherche. Andere gehen von gefundenem Material aus, das sie in historischen Archiven, aus privaten Sammlungen sowie dem Internet beziehen und welches sie zum Rohmaterial ihrer künstlerischen Untersuchungen machen. Auch aktivistische Ansätze sowie Strategien des investigativen Journalismus zeichnen die Arbeitsweise einiger Positionen aus.

Ihre Werke behandeln gesellschaftliche Schicksale oder kulturelle Unterschiede, den menschlichen Körper und dessen Repräsentation, politische Überwachung oder die Wirkungsmacht religiöser Mythen. In zahlreichen Arbeiten wird die Objektivität der Kamera in Frage gestellt und die Vieldeutigkeit des fotografischen Bildes thematisiert. Im Kontext von „Real Fake“-Fotografien und bewegten Bildern steht nicht nur das Medium, sondern die Darstellung von Realität selbst unter kritischer, wenn nicht skeptischer Beobachtung durch diejenigen, die sich ihre Repräsentation zur Aufgabe gemacht haben.

Die in der Ausstellung versammelten Arbeiten vertreten ein wiedergewonnenes Interesse an einer Rückkopplung an reale Bedingungen, sie betrachten aus einer Innenansicht subkulturelle Phänomene, reflektieren politische Auswirkungen und gesellschaftliche Umbrüche und suchen nach den historischen Bezügen aktueller Lebensweisen. Gemeinsam ist den 20 internationalen KünstlerInnen die Suche nach den heutigen Grenzen und Erweiterungsmöglichkeiten der fotografischen Repräsentation mit den zur Verfügung stehenden technischen und digitalen Mitteln. Sie nutzen gefundenes Bildmaterial oder besinnen sich auf Archivinhalte, arbeiten mit Text und Bild als sich ergänzende Elemente oder wagen sich mit skulpturalen Installationen und der Einbindung von Videoarbeiten über die Grenzen eines traditionellen Begriffs von Fotografie hinaus.

Foam Talent | Frankfurt gibt einen einzigartigen Einblick in aktuelle künstlerische Tendenzen und fungiert als Barometer eines Mediums, das sich im Zeitalter digitaler Kultur ständig wandelt.

 

AUSGEWÄHLTE POSITIONEN UND THEMEN:

Der gesellschaftskritische Blick

Der ukrainische Fotograf Viacheslav Poliakov sucht nach der Sichtbarkeit der Spuren, die die zahlreichen politischen Umwälzungen in seinem Land hinterlassen haben. Er portraitiert Menschen und Alltagsgegenstände, Öffentliches und Privates, die er gänzlich aus dem Kontext freistellt und bannt sie auf grell farbige Hintergründe. Somit schafft er eine anthropologische Untersuchung der Eklektik eines Landes, das zwischen Sowjetunion und Europa seine Identität zu behaupten versucht.

Martin Errichiello und Filippo Menichetti verstehen sich als Fotografen sowie Archäologen, Geografen und Historiker. Das Künstlerduo thematisiert die geschichtlichen und politischen Brüche, die Italien ab den 60er Jahren bis heute prägen. In den Jahren des ökonomischen Aufschwungs wurden zahlreiche staatliche Infrastrukturprojekte aufgesetzt, deren politische und ökonomische Verstrickungen bis heute nicht transparent sind. Im Glauben an Fortschritt und Moderne wurden substantielle Veränderungen von ganzen Landschaften und Kulturregionen staatlich betrieben. Die Künstler reisten entlang der Autobahn Salerno – Reggio Calabria, eine wichtige Mobilitätsachse im Süden des Landes und Teil der Autostrada del Sole. Diese Autobahnstrecke liefert den symbolischen Handlungsstrang für das vielschichtige Projekt, anhand dessen Teile einer verborgenen italienischen Geschichte sichtbar werden und eine Ästhetik der Brüche und Kontraste aufscheint. Die kontrollierte Sprengung der baufälligen Autobahnbrücke Viadotto Italia ist gleichzeitig Symbol ökonomischer Entwicklung aber auch politischen Versagens und wirkt wie eine Metapher einer gescheiterten Utopie. Dieses Bild liefert das Motiv der gesamten Ausstellung.

Der weibliche Blick

Alix Marie arbeitet mit extremen Nahaufnahmen menschlicher Haut. Sie stellt die Oberflächen von Körpern zur Schau, sie fotografiert Fragmente und vergrößert diese, man sieht Abdrücke von Krafteinwirkung, Falten, Öffnungen in ihrer Fleischlichkeit. Die vergrößerten Ansichten produziert sie auf PVC-Folie, die sie wie abgezogene Haut auf Metallstangen schichtet. Sie erweitert die fotografische Abbildung um skulpturale und installative Elemente zur künstlerischen Abbildung des menschlichen Körpers im Raum.

Die Grundlage der künstlerischen Produktion von Weronika Gęsicka bilden Fotografien aus US-amerikanischen Bilddatenbanken der 1940 bis 1960er Jahre. Die gefundenen Bilder verfremdet die Künstlerin durch fotografische Verzerrungen und digitale Verfremdungen, sodass typische Rollenklischees und überholte traditionelle Frauenbilder aus dem 20. Jahrhundert verstärkt sichtbar werden.

Alinka Echeverría präsentiert eine umfangreiche Recherche der Darstellungsweise der Frau als fotografisches Motiv seit den Anfängen der Fotografie. Dafür durchsuchte sie die Archive des Musée Nicéphore Niépce in Frankreich und entlarvt die durch männliche und koloniale Blicke dominierte Sicht auf Frauen als exotische Wesen, verfügbare Objekte der Lust, die passiv dem Blick des Betrachters preisgegeben werden.

Neue dokumentarische Ansätze

David De Beyter ist in die Community der „Big Bangers“ eingetaucht. Diese zelebrieren die Zerstörung von Autos durch ritualisierte Zusammentreffen, bei denen heftige Unfälle provoziert werden. Diese sogenannten „Auto-Sculptures“ machen Praktiken einer Subkultur sichtbar, die im Verborgenen stattfindet und um die Heroisierung der Zerstörung als Ausdruck kreist sowie ästhetische Referenzen aus der Kunst der 60er Jahre herstellt.

Über vier Jahre dokumentierte Sadegh Souri das illegale Geschäft von Diesel- und Paraffinschmuggel im Grenzgebiet zwischen Iran und Pakistan. Dabei setze der Künstler sich den Gefahren einer Kultur der alltäglichen Gewalt aus. Er verfolgte Schmuggler auf ihren Fahrten. Die Bildserie liefert einzigartige Portraits von Menschen, der eindrucksvollen und kargen Landschaften und macht dieses Krisengebiet und Kriegsterritorium als rechtsfreien Raum sichtbar, das so medial nicht präsent ist.

Digitale Konstruktionen

Quentin Lacombe hinterfragt die narrative Möglichkeit des fotografischen Mediums. Er installiert Lochkameras in der Landschaft, um über den Zeitraum von 6 Monaten ganze Zeitperioden in wechselnden Lichtverhältnissen aufzuzeichnen. Zusätzlich collagiert er Science-Fiction-Motive mit astrologischen Aufnahmen von Sternwarten in der Ästhetik von futuristischen Themenparks und thematisiert somit die Grenzen von physikalischen Raum-Zeit-Konstellationen der Fotografie.

Fortschritte in der Bildanalysetechnik führen zu zunehmend automatisierten Formen der Bildgebung. Clément Lambelet analysiert das menschliche Bild im Zeitalter maschinellen Sehens. Collateral Visions versammelt Bildmaterial, bei dem die Frage nach der Autorenschaft offen bleibt: gefundenes Material aus dem Netz, Übertragungen von Dronenangriffen, Menschenfiguren in Bodyscannern, die an die Darstellung von Dürers Adam und Eva erinnern, dienen dem Künstler zur kritischen Auseinandersetzung mit der Frage nach der Darstellung der menschlichen Figur im Zeitalter von Überwachung und Bilderkennungssystemen.

Thomas Kuijpers ist auf der Suche nach den Auswirkungen einer Ökonomie der Angst, welche die heutige Zeit bestimmt. Er fragt nach den Wirkmechanismen der Angst, wie diese entsteht und wie diese medial verstärkt werden. Kujpers sammelt online Postings und Bilder aus rechtsgesinnten und islamistischen Gruppen, schneidet Bilder aus Zeitschriften, macht Fotografien von gefundenen Dingen und collagiert diese zu Installationen. Die Assemblagen fungieren als Archive und Seismografen einer Repräsentation von Angst und deren visueller Rhetorik.

Mark Dorf thematisiert die Veränderung und Überformung des Naturbegriffes im Zeitalter des Anthropozäns. Er fotografiert in botanischen Gärten Pflanzen und Blüten, die in artifiziellen Anlagen zu konstruierten biologischen Ensembles gezüchtet werden. Er verfremdet die Bilder digital, erstellt Dopplungen und Überlagerungen und schichtet die digitalen Bildcollagen mit synthetischen Materialien wie Pressspan, Plexiglas und Neonröhren zu dreidimensionalen Werken.

Interkulturelle Identitäten

Namsa Leuba bezeichnet sich selbst als Nomadin. Sie reist zwischen Afrika und Europa und untersucht aus der Perspektive ihrer bikulturellen Identität (sie ist Schweizerin und Guineerin) die visuelle Popkultur Afrikas. Ihre Arbeitsweise umfasst Dokumentar-, Mode- und Performancefotografie. Für diese Werkserie bittet sie die aktuelle Generation in Lagos vor der Kamera ihre Interpretation des Modebegriffs zu inszenieren. Die kulturelle Wechselwirkung zwischen westlicher und afrikanischer Jugendkultur, welche medial verstärkt wird und in einem ständigen Prozess des Wandels digital zirkuliert, bieten Leuba den Boden ihrer visuellen Untersuchung.

Die Arbeiten der koreanischen Künstlerin Kai Oh entstehen aus der Sehnsucht nach Heimat und Verbundenheit. Sie erlebt sich als Fremde im Umfeld ihres Deutschlandaufenthaltes und sucht nach einem Rückzugsort, den sie in der Ursprünglichkeit der Natur findet. Bilder des deutschen Waldes verbindet sie in digitaler Collagiertechnik mit Bildern ihrer Heimat und den Menschen, die nur noch in ihrer Erinnerung präsent sind.

 

Foam Talent | Frankfurt versammelt 20 internationale Positionen von FotografInnen unter 35 Jahren, die aus 1.790 Künstlerportfolii aus 75 Ländern von einer Expertenjury des Foam Amsterdam ausgewählt wurden. Das Format Foam Talent zeichnet somit das Bild einer jungen und internationalen Generation und kennzeichnet in seiner Heterogenität den aktuellen Stand und die Schwerpunkte der jungen fotografischen Kunstproduktion. Foam Talent wurde 2017 erstmalig in Amsterdam, anschließend in New York und London gezeigt und ist nun in Frankfurt mit einer eigens konzipierten Präsentation aller 20 Positionen als umfassende Schau zu sehen.

 

Die Ausstellung Foam Talent | Frankfurt ist eine Kooperation mit dem Foam Fotografiemuseum Amsterdam und Partnerprojekt der RAY 2018 Fotografietriennale.

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