Die Fortsetzung der Bologneser Wachskunsttradition: Giuseppe Astorri und Cesare Bettini
Giuseppe Astorri
Testa e tronco di donna con dimostrazione del circolo arterioso e del sistema simpatico (Kopf und Rumpf einer Frau mit Darstellung des arteriellen Kreislaufs und des sympathischen Nervensystems), 18.-19. Jahrhundert
Anatomisches Modell aus Wachs, mit Mischtechnik bemalt
Mit Rahmen 57,5 x 39 x 20 cm
Cesare Bettini
Sezione frontale del cranio con gli emisferi cerebrali sezionati e del tronco encefalico visti
posteriormente (Frontalschnitt des Schädels mit durchschnittenen Großhirnhemisphären und dem von hinten sichtbaren Hirnstamm), 19. Jahrhundert
Modello di sezione sagittale del cranio mostrante le parti dell’encefalo (Modell eines Sagittalschnitts des Schädels mit Darstellung der Teile des Gehirns), 19. Jahrhundert
Zwei anatomische Modelle aus bemaltem Wachs, Holz, Stoff
Mit Rahmen 88 x 72 x 34 cm; 101 x 85 x 26 cm
Courtesy Alma Mater Studiorum – Universität Bologna | Museales System der Universität | Sammlung anatomischer Wachsmodelle “Luigi Cattaneo”
Aus der Sammlung “Luigi Cattaneo” der Universität Bologna stammen drei Wachsmodelle von Giuseppe Astorri (1785-1852) und dessen Schüler Cesare Bettini (1801-1855). Bettini begann als Lithograf und Zeichner. Beide Techniken, das Zeichnen und das Modellieren, waren von jeher eng miteinander verbunden und dienten dazu, im medizinischen Bereich Wissen anschaulich zu machen, also anatomische Bilder zu schaffen und zu verbreiten. Die beiden Künstler waren die letzten Vertreter und Modellierer des anatomischen Kabinetts der Universität Bologna.
Ein Wachsmodell von Giuseppe Astorri zeigt Kopf und Rumpf einer Frau. Die Darstellung hebt den arteriellen Kreislauf und das sympathische Nervensystem (Sympathikus) hervor. Knochen- und Muskelwände des Rumpfes wurden ausgespart, sodass der arterielle Blutkreislauf deutlich sichtbar ist. Einige Nervenstämme, besonders das Lendennervengeflecht (Plexus lumbalis), sind im Detail dargestellt.
Bei den beiden anderen handelt es sich um großformatige Gehirnmodelle im Maßstab 3:1. Sie zählen zu Cesare Bettinis bedeutendstem Werk, dem sogenannten „Großwerk der Gehirnanatomie“. Die Modelle zeigen Querschnitte des Gehirns. Die einzelnen Strukturen werden durch unterschiedliche Farbtöne besonders anschaulich für Studierende dargestellt.
Die Tafel Modell eines Sagitalschnitts des Schädels mit Darstellung der Teile des Gehirns lässt die Strukturen gut erkennen: das Großhirn mit seinen markanten Windungen, das Kleinhirn farblich abgesetzt – als „Kontrollzentrum“ für Bewegungen – und den Hirnstamm, der in das Rückenmark übergeht. Besonders auffällig ist das Kleinhirn, dessen Verzweigungen wie die Äste eines Baumes aussehen – der sogenannte „Arbor vitae“, Baum des Lebens. Alle Strukturen sind klar voneinander getrennt abgebildet, sodass man sofort versteht, welche Teile für welche Funktionen im Gehirn zuständig sind.
Die zweite Tafel stellt einen frontalen Querschnitt des Gehirns dar. Teile des hinteren Schädels wurden entfernt, sodass man den Hirnstamm und seine Verbindungen zum Rückenmark erkennen kann. Die Tafel wird durch die Nasenscheidewand und den nasalen Teil des Rachens vervollständigt.
Die Sammlung “Luigi Cattaneo” umfasst Hunderte Wachsmodelle und Nasssammlungen. Giuseppe Astorri und Cesare Bettini arbeiteten nicht nur nach der Vorlage sezierter Körper, sondern auch nach lebenden Patienten. Astorri schuf beispielsweise Wachsplastiken zu Hauterkrankungen wie Pocken, Gürtelrose (Herpes zoster), Antimonvergiftung und Pellagra. Diese Modelle dienten an der Universität als diagnostische und didaktische Instrumente.
Die klinischen Wachsmodelle der Bologneser Schule aus dem 19. Jahrhundert – später als Moulagen bekannt – verbreiteten sich bald in ganz Italien und Europa. Die Arbeiten von Astorri und Bettini markieren damit den Beginn der Bildgebung und realistischen Wiedergabe zur didaktischen Nutzung anatomischer Wachsmodelle für den klinischen Gebrauch.