Andrea Muniáin

DILSS. Digital Intercontinental Large Supermarkets, 2022
Bedruckte PVC-Plane, Glas, Papier, Holz, Glitter
Variable Größe
Courtesy die Künstlerin

Ein hyperrealistischer Bericht

Die Künstlerin Andrea Muniáin ist ausgebildete Architektin und Forscherin. Ihre jüngste Arbeit konzentriert sich auf die Entwicklung von Prototypen oder Körperlandschaften, die sie als „bodyscapes“ bezeichnet. Durch begehbare Kulissen, bei denen Betrachter:innen Teil der Installation werden, schafft sie szenische Erzählungen, die physische und virtuelle Räume miteinander verflechten. Ihre Installationen offenbaren die Auswirkungen der Anwendungen neuer digitaler Technologien auf das Subjekt, den Körper, den Raum und die Identität in der ständigen und wechselseitigen Beziehung zwischen der Realität der Bildschirme und der Welt.

DILSS. Digital Intercontinental Large Supermarkets ist der Prototyp eines Supermarkts, in dem Bilder echter Menschen zum Verkauf stehen: Gesichter, Körper, Fragmente von Körpern. Man findet Waren im Angebot, eine Auswahl an meistverkauften Körpern, die Mitarbeiter:innen des Monats, wie in jedem beliebigen Warenhaus. Was wie eine Szene aus einem dystopischen Roman oder einem Science-Fiction-Film anmuten mag – ein Body Store – ist nichts anderes als die physische Umsetzung einer Online-Realität.

Der 3dScanStore ist eine der zahlreichen digitale Plattformen, auf der man 3D-gescannte Körpermodelle kaufen kann, photogrammetrische Abbilder von realen Menschen, die beschlossen haben, ihren digitalen Körper zu verkaufen. Körper, die, indem sie zu herunterladbaren Modellen werden, sowohl ihre individuellen Bewegungsmuster als auch ihre digitale Handlungsfähigkeit (agency) übertragen. Was passiert, wenn man zu einem Download wird? Der Markt wird über die Bewegungen bestimmen und über die Landschaften und digitalen Oberflächen, in denen die digitale Persona in Ewigkeit fortbestehen wird. Die Künstlerin setzt diese Fabrik der Identitäten in Beziehung zu einer weiteren Online-Plattform, 3Dwarehouse, einer kostenlosen digitalen Datenbank, die von Architekt:innen und Unternehmen als Werkzeug genutzt wird, um ganz unterschiedliche Konstruktionsmodelle herunterzuladen, zu kaufen und sie in den realen physischen Raum einzufügen.

„Das Vorhandensein einer weltweit vernetzten Plattform scheint a priori eine ganze Reihe von formalen Möglichkeiten zu bieten, aber die Realität zeigt, dass die am häufigsten heruntergeladenen und damit genutzten Modelle die formale Manifestation einer generischen architektonischen Universalität sind. Ein digitales Cut and Paste, das sich direkt in der materiellen Bauweise niederschlägt. Rem Koolhaas veröffentlichte Junkspaces zwei Jahre nach der Gründung der besagten digitalen Plattform. Genügend Zeit, um die Verbreitung der angebotenen Elemente nachzuvollziehen. Türen, Fenster, Möbel, Zwischendecken. Alle sehen gleich aus. Alle verbreiten sich viral. Eine effektive Technik für die Herstellung von Schrott-Architektur durch den digitalen Download. Das Spam-Abbild ist für Körper das, was Schrott-Architektur mit digitalen Bauelemente schafft. Der Trockenbau-Körper. Eine gescheiterte Universalsprache? In DILSS gehen Junk-Space und Spam-Bild ineinander über, um eine spekulative Erzählung über den Körper in seiner Umwandlung hin zu einem dreidimensionalen Modell zu thematisieren. Indem man den photogrammetrischen Körper mit dem modellierten architektonischen Element vergleicht, gelingt es, zu bekräftigen, dass der Körper ständig alle Marktkonnotationen trägt, die den konfigurierenden Elementen der Schrott-Architektur zugeschrieben werden. Der Körper ist wie eine eingezogene Zwischendecke. Der Körper ist wie eine Trockenbauplatte. Und in der digitalen Sphäre wird er auch als solche vermarktet.“ Andrea Muniáin

 

Andrea Muniáin (*1994, Tudela, ES) ist eine Architektin, die an der Universität von Alicante (ES) mit einer multidisziplinären künstlerischen Perspektive graduierte. Die Entwicklung ihrer Praxis konzentriert sich auf die aktuellen Beziehungen zwischen Digitalität und Leiblichkeit. In ihrer Arbeit erforscht Muniáin die digitale Darstellung des Körpers und die darin enthaltene politische Komponente. Sowohl als Künstlerin als auch in ihrer akademischen Arbeit übt Muniáin Kritik an der aktuellen ästhetischen Praxis und analysiert, wie digitale Visualisierungspraktiken uns eine Ästhetik aufzwingen, in der alle Körper gleich und normiert aussehen. Diese Kritik hebt die Notwendigkeit hervor, eine neue Körperdarstellung zu finden, jenseits der visuellen Praktiken die das Bild und Verständnis von Körper aktuell dominieren. Ihre Arbeit ist mit verschiedenen kulturellen Institutionen, Architekturbüros und Universitäten verbunden, darunter La Casa Encendida, Madrid (ES), Matadero, Madrid (ES), Takk architecture, Barcelona (ES), University of Technology, Sydney (AU), IED Instituto Europeo di Design, Madrid (ES), ELISAVA Barcelona School of Design and Engineering, Barcelona (ES). In ihrer aktuellen Arbeit kombiniert sie ihre künstlerische Praxis mit ihrer akademischen Forschung an der School of Architecture in Alicante (ES).