Abstract von Natascha Strobl
Radikalisierter Konservatismus
Das Buch und der Vortrag „Radikalisierter Konservatismus – eine Analyse“ konzentrieren sich auf eine Entwicklung des gegenwärtigen parteipolitischen Konservatismus. Dieser Strang des Konservatismus entwickelt sich zu einem abgrenzbaren und damit neuen Phänomen. Er nimmt eine Zwischenstufe zwischen staatstragendem Nachkriegskonservatismus und der etablierten, völkischen extremen Rechten ein. Dabei zieht er seine Dynamik aus der von Wilhelm Heithmeyer beschriebenen rohen Bürgerlichkeit. Der radikalisierte Konservatismus ist das parteipolitische Spiegelbild zum bürgerlichen Teil der Neuen Rechten auf außerparlamentarischer Ebene. Er ist eine Bewegung hin zur extremen Rechten – strategisch, rhetorisch und ideologisch. Dabei macht sich radikalisierter Konservatismus aber nicht ununterscheidbar gemein mit der traditionellen extremen Rechten, sondern ist auch von ihr abgrenzbar, etwa durch das Selbstverständnis und die Ressourcen einer großen Volkspartei. Von anderen politischen Lagern ist der radikalisierte Konservatismus durch sechs Elemente unterscheidbar: der bewusste Regelbruch, Polarisierung, die Rolle der Führungsperson, der antidemokratische Staatsumbau, Politik im permanenten Wahlkampfmodus und die Schaffung von Parallelrealitäten.
Der bewusste Regelbruch beschreibt nicht nur das Brechen von Gesetzen, sondern auch den Bruch der ungeschriebenen Regeln. Die Akteur_innen des radikalisierten Konservatismus nutzen diesen Regelbruch zur permanenten und kalkulierten Produktion von Aufregern. Außerdem setzt radikalisierter Konservatismus auf eine Politik der Polarisierung, insbesondere entlang der Themenfelder Asyl, Migration sowie Arbeitslosigkeit und Sozialstaat. Die Rolle der Führungsperson ist besonders wichtig, da sie zugleich Opfer und Märtyrergestalt ist. Das eigentliche Ziel ist der antidemokratische und unumkehrbare Staatsumbau, sei es in den Institutionen von Justiz, im Parlament oder auch den freien Medien. Dabei betreibt radikalisierter Konservatismus eine neue Art medialer Inszenierung – der gesamte politmediale Komplex wird im permanenten Wahlkampfmodus gehalten. Das führt letzlich zu einer Schaffung von Parallelrealitäten, in denen es keine gesamtgesellschaftlich geteilte und verständigte Wirklichkeit mehr gibt.
Dieses Phänomen ist aber kein wirklich neues Phänomen. In der Weimarer Republik oder im Wien der Zwischenkriegszeit gab es mit der „Konservativen Revolution“ oder dem, von Janek Wasserman so genannten, „Black Vienna“ ähnliche Entwicklungen im Konservatismus. Es wurden Allianzen mit dem völkischen Teil der extremen Rechten eingegangen, weil man über die Feindbilder Einvernehmen herstellen konnte. Aktuell findet sich diese Dynamisierung auf parteipolitischer Ebene. Radikalisierter Konservatismus ist eine Rechtsradikalisierung des Konservatismus. Es wirft die Frage auf, ob es sich hierbei sogar um eine Faschisierung des Konservatismus handelt.