Chenta Tsai aka Putochinomaricón

áfóñg, 2022
Gemischte digitale Medien
Courtesy die Künstlerin

Das Thema der Repräsentation wird durch ein audiovisuelles Mixtape erforscht. Das Werk ist in acht Themen unterteilt

íntró (éstádó cónstánté dé críngé)
síndrómé dél ímpóstór / nó mérécé lá péná / párá nó dár péná
ántifáz káwáíí / nárrátívá
ámóré (ábró híló – té ódíó) / chínító dé ámól
pérdón pór éxístír
mámá hé mátádó á ún sím
pólly dé hácéndádó / lá gállíná cápónátá
dé dóndé víénés / ní dé áqúí ní dé állá / óútró

Autofiktion: eine musikalische Erzählung über einen Basar im Jahr 3000

Chenta Tsai ist Putochinomaricón, eine bekannte Musikerin, Produzentin und Multimediakünstlerin, die Pop als Instrument des Widerstands und zur Kritik an der Politik einsetzt. Ihr Werk basiert auf ihrer Lebenserfahrung als People of Color aus der taiwanesischen Diaspora, als sexuelle und geschlechtliche Dissidentin, die in Spanien aufgewachsen ist. Eine prägende Erfahrung, dekonstruiert aus der Queer-Theorie und fiktionalisiert in ihrem Alter Ego in ständiger Entwicklung und Revolution.

Allein die Tatsache, dass sie mit ihrer Stimme und ihren Texten in ein Genre eindringt, das üblicherweise das Kritische und Respektlose ablehnt, wie z. B. Pop, ist bereits eine Aussage über ihre kreative Praxis, bei der alles miteinander vermischt wird und ein Ganzes bildet: Ideologie, Bild und Klang. Putochinomaricón füllt die Bühnen der wichtigsten internationalen Festivals mit einem besonderen Programm. Ihre Arbeit erhebt den Spanischen costumbrismo (im ursprünglichen Sinne eine literarische oder malerische Interpretation des lokalen Alltagslebens) in die Kategorie der Hyperrelevanz, gebildet durch dekontextualisierte Objekte, fast Fetische, und bringt diesen mit Protestsong und globalisierte Clubkultur zusammen. Internetkultur, intelligente Provokation und Hässlichkeit oder Kitsch sind seit ihrer ersten LP Corazón De Cerdo Con Ginseng Al Vapor (Gedünstetes Schweineherz mit Ginseng) von 2018, Miseria Humana (Menschliches Elend) von 2019 oder JÁJÁ ÉQÚÍSDÉ (Dystopía Aburrida) von 2022 ein fester Bestandteil ihrer Arbeit.

Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Klischees, Vorurteile – ihre Anklagen zielen nie darauf ab sich selbst und andere zum Opfer zu machen, sondern sind Selbstermächtigungen. Putochinomaricón verwandelt die Beleidigung durch Humor und Poesie in eine Verteidigung der Diversität. Die Künstlerin ist auch Schriftstellerin (sowie Architektin und Geigerin), Autorin des Essays Arroz Tres Delicias – Sexo, Raza y Género (Drei Köstlichkeiten Reis – Sex, Rasse und Geschlecht) 2019 und ehemalige Kolumnistin für die spanische Zeitung El País. Sie untersucht die Fähigkeit der Sprache, die Begriffe, mit denen wir uns selbst benennen und mit denen wir benannt werden, um unsere Identitäten zu beherrschen. Dabei betont sie die Notwendigkeit, neue Begriffe zu prägen oder zu deren Verwendung beizutragen, um ihre Deutung selbst zu bestimmen und zu befreien.

Ihre künstlerische Praxis thematisiert durch die Präsenz und Performance ihres physischen und digitalen Körpers ein Selbst, das Zuschreibungen in Frage stellt und neue Räume für Aktivismus, für den Ausdruck multipler Identitäten, für den Hedonismus des Nicht-Hegemonialen, für Freundschaft und Fürsorge schafft. Das audiovisuelle Werk áfóñg, so die Künstlerin, „erforscht diese Spannung, die zweischneidigen Komplexitäten von Repräsentation und Sichtbarkeit, die die Künstlerin als Dissidentin erlebt. Es stellt die Frage nach der Möglichkeit, Plattformen für ost- und südostasiatische geschlechtliche und sexuelle Dissident:innen zu schaffen, Räume, die uns vollständig einschließen, ohne dass wir Teile unserer Identitäten fragmentieren, vereinfachen oder verstecken müssen, um in die vorherrschenden übermächtigen sozialen Räume zu passen. Utopische Zukünfte, in denen unsere Körper weit entfernt sind von Tokenisierung, Instrumentalisierung und Fetischisierung, und in denen spekulative Räume der gemeinschaftlichen Heilung durch Pop als Werkzeug des Widerstands und der politischen Kritik entstehen.“ […] „Wer sind wir, als nicht-hegemoniale Künstler:innen, die einen Raum wegen unserer Kunst besetzen/ die einen Raum für Ästhetik ohne Ethik besetzen?/Die einen Raum als Token besetzen?/Die einen Raum besetzen, um eine Diversitätsquote zu erfüllen?/Einen Raum aus Schuldgefühlen der Weißen besetzen?/Einen Raum besetzen, um eine Veranstaltung zu ermöglichen, die den Faschismus weißwäscht?/Einen Raum besetzen, um einer Marke das Pinkwashing zu ermöglichen?/Einen Raum besetzen, um die lange Geschichte des institutionellen und strukturellen Rassismus in diesem Raum zu reparieren?”

 

Chenta Tsai alias Putochinomaricón (*1990, Taipeh, TW) ist eine in Madrid (ES) lebende Künstlerin, Architektin, Aktivistin, Musikerin, Produzentin und Live-Performerin. Pop ist ein Mittel des politischen Widerstands in allen ihren musikalischen Produktionen, seit ihrer ersten LP Corazón De Cerdo Con Ginseng Al Vapor 2018, Miseria Humana 2019 oder JÁJÁ ÉQÚÍSDÉ (Distopía Aburrida) 2022 sowie in ihrer neuesten Produktion für den Frankfurter Kunstverein. Chenta Tsai ist Autorin von Arroz Tres Delicias – Sexo, Raza y Género und ehemalige Kolumnistin der spanischen Zeitung El País. Sie hat mit Künstler:innen wie Pussy Riot, Dorian Electra, GFOTY und Tami zusammengearbeitet und trat physisch und virtuell auf Festivals und in Clubs wie Primavera Sound, Barcelona (ES), Sónar, Barcelona (ES), Heav3n, Los Angeles (US) oder Final, Taipei (TW) auf. Sie nahm am spanischen Pavillon der 58. Biennale di Venezia (IT) teil und stellte im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid (ES) aus.