Jonas Englert

Zoon Politikon, 2014 (fortlaufend)
7-Kanal-Videoinstallation
jeweils 50 min.
Courtesy Galerie Anita Beckers

Jonas Englert präsentierte in seinem fortlaufendem Langzeitprojekt Zoon Politikon, eine Mehrkanal-Videoinstallation, Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kunst, welche die Geschichte gesellschaftlicher Umwälzungen und Revolutionen in Frankfurt wie auch bundesweit initiiert und mitgestaltet haben. In fünfzigminütigen Filmen erzeugte Englert intensive Portraits aus ungewohnter Nähe zu den Protagonisten.

In Zoon Politikon sprach Jonas Englert mit Gründermüttern und Gründervätern der deutschen Wissenschaft, Kultur- und Sozialpolitik. Er zeigt sie in all ihrem Erfahrungsreichtum, als ErzählerInnen einer zeitgeschichtlichen Vergangenheit, mit der sie auf das engste verbunden sind. Die Arbeit geht vom aristotelischen Begriff des „politischen Lebewesens“, des Zoon Politikon aus, um die Idee der Polis zu untersuchen; ein Staatsmodell, das als Bürgergemeinschaft funktionieren kann, aber nicht auf dem Kriterium des Territoriums beruht, sondern sich allein über ihre Mitglieder definiert.

Englert präsentiert ProtagonistInnen aus einer jüngeren Vergangenheit. Sie erzählen von sich selbst aus der rückwirkenden Perspektive von Individuen, die durch ihr Handeln aus der Privatsphäre in die öffentliche Sichtbarkeit gelangt sind und somit Teil der kollektiven Geschichte und nun zu Erinnerung wurden.

Englert entwickelte für diese Arbeit ein unveränderliches, strenges Gestaltungskonzept und Setting. Ein gleichbleibender Fragenkatalog, der vor der Aufnahme besprochen wurde und eine fünfzigminütige ununterbrochene Sprechzeit für jeden TeilnehmerIn bildeten die Basis eines jeden Interviews. Das schwarz-weiße Bild neutralisiert die Individualität der ProtagonistInnen zunächst, um diese dann durch die Kameranähe und den starren Fokus auf das sprechende Gesicht wieder umso stärker zum Ausdruck zu bringen. Englert arbeitete mit der Methode des aktiven Zuhörens. Er erzeugte und potenzierte eine Atmosphäre des Vertrauens, in der die SprecherInnen ihren Monolog und Denkprozess frei entfalten konnten. Die klassische Kameraeinstellung der Nahaufnahme erzeugte bei den BetrachterInnen die Illusion von Nähe und Intimität zum Subjekt. Die BetrachterInnen treten in direkten Blickkontakt zu dem Menschen. Die individuelle Sprache und die Mimik der Ich-ErzählerInnen vermitteln eine weitere visuelle Information, die zusätzlich zu der Narration einer kollektiven geschichtlichen Vergangenheit Aufschluss über eine Epoche geben.

Im Vordergrund der Befragung steht das Leben als politische Person. Englert thematisiert den Menschen als „politisches Tier“, so wie ihn Aristoteles in seiner Schrift Politika definierte: als ein Wesen, das Gemeinschaft(en) bildet. Als ein Wesen, das Verantwortung übernimmt, sowohl im Kontext seines unmittelbaren sozialen Umfeldes als auch im übergeordneten Sozialgefüge des Staates.

 

Jonas Englert (*1989, Friedberg, DE) studierte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach (DE) Kunst bei Prof. Heiner Blum und Prof. Alexander Oppermann. Im Wintersemester 2012/13 besuchte er parallel das Institut für Angewandte Theaterwissenschaften bei Prof. Heiner Goebbels in Gießen (DE). Der Künstler ist seit 2018 Preisträger der Frankfurter Künstlerhilfe. 2019 wurde Englert zudem mit dem Theoriepreis der Marielies Schleicher-Stiftung ausgezeichnet. Darüber hinaus entstanden Videoarbeiten für diverse Theaterproduktionen, unter anderem am Nationaltheater Mannheim, Mannheim (DE), am Staatsschauspiel Dresden, Dresden (DE), am Staatstheater Hannover, Hannover (DE) und am Theater Bonn, Bonn (DE). Seine Arbeiten sind Teil der Sammlungen des Hirshhorn Museum, Washington D.C. (US), des Museum of Fine Arts, Boston (US) und privaten Sammlungen.

Unter anderem hat Jonas Englert in den folgenden Institutionen ausgestellt:
Galerie Anita Beckers, Frankfurt am Main (DE), Jüdische Kulturwochen, Frankfurt am Main (DE), Berlin Art Week, Sammlung Ivo Wessel, Berlin (DE), Tongji University, Shanghai (CH), Virus Galerie, Frankfurt am Main(DE), Marburger Kunstverein, Marburg (DE), Museum of Fine Arts, Boston (US), 1822-Forum, Frankfurt am Main (DE)