María Alcaide

Carne de mi carne: Piel, 2021
Video-Installation
Regie, Produktion, Drehbuch: María Alcaide
Hauptdarsteller:innen: Lepen Alcaide, Antonio Alcaide, Alicia Alcaide, Nieves G. Alcaide, Blas Alcaide, José A. Alcaide; und Mitarbeit von María Martín, Fachärztin
12:46 min
Courtesy die Künstlerin the artist

soo fat, 2021
Geformte, mit Silikon überzogene Schaumstoffsitze, von der Künstlerin mit einem speziellen Schinkenmesser handgeschnitten
Variable Größe
Courtesy Fundación Montemadrid

Chroniken des Selbst. Eine Familiengeschichte

Carne de mi carne (Das Fleisch meines Fleisches) ist eine Ich-Erzählung über die Erfahrungen der Künstlerin als weiblicher und feministischer Körper in ihrem besonderen familiären und kulturellen Umfeld: Ihre Eltern sind Metzger in einem kleinen Dorf wenige Kilometer von Jabugo (Huelva) entfernt, bekannt als Wiege des iberischen Schweins und des besten Schinkens.

Der spekulative Dokumentarfilm Entrañas y Piel (Innereien und Haut) besteht aus zwei einzelnen Episoden, in denen sie den Stellenwert des Schweins und dessen Fleisches für die lokale Geschichte, die ihres familiären Umfelds, die Lebenseinstellungen ihres Bruders, der das Familienunternehmen weiterführt und ihr eigenes Leben untersucht.

Die Kurzfilme erinnern an ethnografische Dokumentarfilme des letzten Jahrhunderts, entlarven dann aber mit Humor und Provokation die kulturellen und symbolischen Mechanismen, die bis heute einen Teil unserer Gesellschaft beherrschen. In den Worten der Künstlerin: „Es ist nicht leicht, eine Frau zu sein, in einer Kleinstadt geboren zu sein und sich als Feministin zu erkennen zu geben. Noch nicht. Es ist nicht einfach. Und es ist nicht angenehm. Es ist nicht das, was man für sich erhofft.“

Die Erzählung von Entrañas bindet die umstrittene Theorie des Anthropologen P. Touraille ein, der behauptet, dass in prähistorischer Zeit im Vergleich zu Frauen ein höherer Fleischkonsum bei Männern einer der ersten Gründe für die Entstehung des Patriarchats sein könnte.

In der Videoinstallation Piel verbindet die Künstlerin die Realität ihrer Familie und ihres kulturellen Umfelds mit Betrachtungen zu Identität und Identitäten, um Rollen und Positionen in Bezug auf geschlechts- und genderspezifische Ungleichheiten und den Determinismus von Genetik und Herkunft zu hinterfragen. Sie untersucht Repräsentationsräume von Frauen und was es heute bedeutet, manuelle Arbeit zu verrichten und entzaubert einige romantische Vorstellungen über das Leben auf dem Land anhand ihrer Erfahrungen, die sie mit ihrem eigenen Leib gemacht hat.

Die Haut als Speicher von Genetik, Erfahrungen, Wünschen und als Oberfläche des Widerstands gegen die Aggressionen einer heteropatriarchalen Gesellschaft.

Die Künstlerin lädt ein Schwein namens Lepen Alcaide und einige Mitglieder ihrer Familie und Gemeinde ein, an dem Film mitzuwirken. Sie arbeitet gekonnt mit den Objekten, Räumen und Szenarien, in die sie ihre Werke einfügt. Darüber hinaus erleichtert die Performance, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer künstlerischen Praxis ist, die Schaffung von Erzählungen und Fiktionen und manifestiert gleichzeitig den ewigen Verdacht, dass die Realität fiktiv ist.

María Alcaide bewegt sich fließend zwischen dem Politischen und dem Persönlichen. Ihre natürliche Fähigkeit, die sozialen Konflikte der Gegenwart auf die subjektive Erfahrung zu übertragen, ermöglicht einen direkten und lesbaren Diskurs.

 

María Alcaide (*1992, Aracena, ES) schloss ihr Studium der Bildenden Künste an der Universität Sevilla (ES) ab, studierte außerdem Fine Arts an der Universität Paris VIII (FR)  und erhielt einen Master in Kunst und Design an der EINA-UAB School in Barcelona (ES). Ihre Forschungsarbeiten wurden in akademischen Kontexten wie der École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris (ES), der Universität der Künste, Berlin (DE), der Universidad Complutense de Madrid (ES) oder der Stiftung Tàpies in Barcelona (ES) vorgestellt. International hat sie ihre Arbeiten in der Galerie Joey Ramone, Rotterdam (NL), Muu Kaapeli, Helsinki (FI), ACUD, Berlin (DE) und Reed College, San Francisco (US) gezeigt. Sie gehört zur Auswahl bei Jeune Création und Salon de Montrouge 64, Paris (FR) und war unter anderem Artist in Residence bei Agora Collective, Berlin (DE), LeFugitif, Leipzig (DE) und Artifariti, Westsahara. Sie erhielt die Preise Fundació LaCaixa und Generación 2021 (La Casa Encendida) sowie verschiedene Stipendien des spanischen Kulturministeriums (INJUVE, Spanish College in Paris) und wurde als Artist in Residence im Kunsthaus Bregenz (AT), in der Cité des Arts de Paris (FR), in Fabra i Coats, Barcelona (ES), in La Escocesa, Barcelona (ES), im Andalusischen Zentrum für zeitgenössisches Schaffen, Cordoba (ES) oder in Bilbaoarte, Bilbao (ES) ausgewählt. Ihr jüngstes Einzelprojekt wurde im Rahmen des LOOP-Festivals in La Capella, Barcelona (ES), ausgestellt.