Nassim L’Ghoul

Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, 2023

Drei-Kanal-Video Installation
3D Animation und Algorithmen für maschinelles Lernen
05:44 min
Sound Phil Hoffart
Courtesy der Künstler

Nassim L‘Ghoul arbeitet mit 3D-Animationen, um digitale Bilder zu generieren, die er für seine Filme einzeln erstellt. Für den Frankfurter Kunstverein hat L’Ghoul eine neue Drei-Kanal Arbeit produziert. Monumental entspinnen sich seine Bewegtbilder auf drei im Raum versetzten Leinwänden. Die zentrale Erzählung läuft in der Mitte, erweitert um zwei seitliche Projektionen.

Der Titel der Arbeit Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück verweist auf eine Praxis, die als Pilgerschritt bezeichnet wird und aus der Tradition der Prozessionsrituale entspringt. L‘Ghouls Filme entwickeln sich nicht linear, sondern scheinen eher die Logik von Träumen zu verfolgen, in denen sich persönliche Assoziationen und Fantasien verweben und ineinanderfließen. Leblose Objekte sind belebt, haben Münder oder laufen, miniaturisierte Menschen bewegen sich durch riesige Szenerien, oder sprechen in überdimensionale Telefonhörer und fantastische Wesen tauchen wie aus dem Nichts auf und verschwinden wieder. Immer wieder durchbrechen einzelne Figuren die Bildebenen und gelangen in eine weitere, darunterliegende Dimension.

Das Hauptmerkmal seiner gewählten, reduzierten Ästhetik sind 3D-Grundmodelle ohne Texturen. Seine Figuren modelliert er selbst, bedient sich aber auch an gefundenem Material, das er durch gekonnten Einsatz künstlicher Intelligenz für seine 3D-Anwendungen umgestalten lässt. Er verwendet physikalisch basierte Lichtberechnungen, die der Computer als Zwischenschritt der Bilderstellung durchführt. Seine Arbeitsweise zeichnet sich durch Schnelligkeit aus. Von der Idee zur Realisierung lässt er jeden unnötigen Schritt weg.

Der Künstler sucht die offene, unfertige Form, indem er nur die sogenannten „Prepass Images“ verwendet, die bei der Animation von Bildern im Rechenprozess entstehen, die aber nicht als fertiges Ergebnis gedacht sind. Er nutzt den Zwischenschritt und wählt bewusst eine Ästhetik digitaler, bildgenerierender Technologien, die das Poröse, Durchscheinende seiner Welten ausmacht, die traumhaft offen sind und jederzeit den Durchbruch von einer Schicht in die nächste möglich machen. Aus der Dunkelheit heraus verdichtet L‘Ghoul seine Figuren und Erzählungen. Das Ergebnis dieses Prozesses ist eine dunkle Bildwelt, die aus schwarzen und weißen Punkten besteht und das Traumartige und Irreale verstärken.

Für den Künstler, der auch schon Musikvideos produziert hat, spielt Sound eine zentrale Rolle. Für die neue Arbeit hat er mit dem Klangkünstler Phil Hoffart zusammengearbeitet. Der Soundscape bettet L‘Ghouls Bilder in eine klangliche Atmosphäre, die einzelne Elemente heraushebt und akustisch dreidimensional erscheinen lässt.

In seinen Arbeiten stehen Formen und Figuren im Mittelpunkt, die losgelöst von einer klassischen ikonografischen Deutung in seine Welten Einzug halten und dort eine visuelle Autonomie behaupten. Dies entspricht einer aktualisierten Praxis der Samplen, die mit der digitalen Kultur der Reels und Memes sich zu einer gängigen Arbeitsweise etabliert hat und das Schaffen zahlreicher Künstler:innen heute definiert.

Nassim L‘Ghoul bedient sich unterschiedlicher Bildwelten und schafft daraus eine ganz eigene Dimension. Seine surrealen Welten und Geschichten sind inspiriert von Kunstmotiven aus dem Mittelalter und der gotischen Malerei, Mythen und populären Geschichten. Aber sie finden nicht linear und logisch statt, sondern bleiben offen und assoziativ.

Nassim L’Ghoul (*1997 in Bad Soden, DE) studiert seit 2017 an der Hochschule für Gestaltung Offenbach (DE) bei Prof. Alexander Oppermann Elektronische Medien. 2020 studierte er an der Akademie der bildenden Künste in Wien (AT). Er gewann zahlreiche Preise unter anderem ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie den Rundgangpreis der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Unter anderem stellte Nassim L‘Ghoul sein Werk bei folgenden Institutionen aus: Zollamt Studios, Offenbach am Main (DE), L187, Offenbach am Main (DE), Magma Maria, Offenbach am Main (DE) und beim Best Austrian Animation Festival, Wien (AT).