Roots – Joko Avianto

geboren 1976, lebt und arbeitet in Bali und Yogyakarta (ID)

BIG TREES (POHON BESAR), 2015
Bambus, Beton
Courtesy the artist

Die Bambusskulptur „Big Trees (Pohon Besar)“ des Künstlers Joko Avianto war Teil der Ausstellung „Roots. Indonesian Contemporary Art“, die anlässlich des Ehrengastauftritts von Indonesien zur Frankfurter Buchmesse 2015 stattfand.

An der denkmalgeschützten Fassade des Steinernen Hauses behauptete sich über einen Zeitraum von einem Jahr die raumgreifende Skulptur „Big Trees (Pohon Besar)“. Sie stand in direktem Kontrast zum gewachsenen und sich damals im Umbruch befindlichen Frankfurter Stadtkern, in direkter Nähe der damaligen Großbaustelle des DomRömer Quartiers. Das von Hand geformte Bambusbauwerk setzte mit seiner natürlichen Materialität und seiner organischen Struktur neue Akzente und verschob die gewohnten Hierarchien im architektonischen Stadtbild. Die Bambusskulptur von Joko Avianto war schon von weitem als Gegenüber zu den überwiegend aus rotbraunem Sandstein oder Sichtfachwerk errichteten Häusern am Frankfurter Römerberg zu erkennen. Sie wurde für den Ort entwickelt und nahm direkten Bezug auf die Fassade des Steinernen Hauses – seit 1962 Ausstellungsgebäude des Frankfurter Kunstvereins. Zwischen Dom und Rathaus Römer, wo in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kunstverein das neue DomRömer Quartier entstand, schlug das Kunstwerk den direkten Bogen zu dieser modernen Baustelle. Das neue Areal veränderte die städtebauliche Hierarchie des Frankfurter Kunstvereins. Das mittelalterliche Steinerne Haus mit seinem Anbau aus den 50iger Jahren steht heute in unmittelbarer Nachbarschaft zu den neu errichteten Häusern, so dass die Bambusinstallation mit dem urbanen Umfeld in Dialog trat. Die Bambusskulptur entwickelte eine hohe Signifikanz vor dem Steinernen Haus. Die auskragende Skulptur machte schon vom Römer aus auf sich aufmerksam und wurde über das Jahr seiner Verweildauer zum Anziehungspunkt für die BürgerInnen. Als Träger indonesischer Kultur erzählte der Bambus und seine skulpturales Formgebilde von einer fremdländischen Geschichte und traditionellen Bauweise. Die Bambusgerüste der afrikanischen und asiatischen Baustellen, zu denen die Skulptur Bezüge herstellt, verwoben den temporären Vorbau mit den Gerüststrukturen der wachsenden Neuen Altstadt.

Die Bambusskulptur war sieben Meter hoch und nahm mit einer Länge von 17 Metern die komplette Fassade des Steinernen Hauses ein. Sie bestand aus 1525 ineinander gewobenen Bambusstangen, die von Plantagen aus der Region West Java stammten und die der Künstler als Teil seines Ateliers bewirtschaftet. Bambus ist ein schnell nachwachsender Rohstoff, der im traditionellen indonesischen Handwerk Verwendung findet. Für die Konstruktion seiner groß dimensionierten Skulpturen orientiert sich Avianto an überlieferten sundanesischen Webtechniken und interpretiert diese neu. Er setzt dabei den Bambus zum ersten Mal als Werkstoff für die Realisierung von Kunst ein. In seiner innovativen Methode bricht Avianto die langen festen Fasern der Stäbe zwischen jedem Blattansatz, wodurch die Bambusstangen flexibel werden, während ihre Stabilität gewahrt bleibt. Dadurch lässt sich der Bambus bearbeiten, biegen und in weiche kurvenförmige Linien weben. So konnten der Künstler und sein Team den Stangen weiche, kurvenförmige Linien verleihen und sie miteinander verweben. Mit seiner Arbeit „Big Trees“ macht Avianto auf Auswirkungen der rasant expandierenden Urbanisierung und baulicher Neuentwicklungen sowie auf die Erfahrungen von Verdrängung und Marginalisierung traditioneller Lebensformen im heutigen Indonesien aufmerksam. Die sich wandelnden sozio-ökonomischen und kulturellen Werte des Bambusanbaus sind ein grundliegendes Anliegen von Avianto. Dies beinhaltet den Verlust von Bambuswäldern in West Java, die zu Dorfgemeinschaften gehören und von diesen gepflegt werden, infolge einer neuen Welle von Industrialisierung auf globaler Ebene sowie der offensiven Monokultur der Palmölindustrie.

Durch diese ortspezifische Arbeit reflektiert Avianto den Wandel von Natur und den mit Raum verbundenen Wertvorstellungen, die in diesem Fall dem Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt als Zentrum der Kultur und des Tourismus zugrunde liegen. Avianto reagiert in diesem Sinne auf den Verlust von Bäumen in der sich wandelnden Umgebung des Frankfurter Kunstvereins. Traditionell dienten sowohl in Indonesien als auch in Deutschland alte Bäume als wichtige soziale Treffpunkte im öffentlichen Raum. Diese Orte der Gemeinschaft sind schon lange der voranschreitenden Urbanisierung und den Auswirkungen von Umweltverschmutzung geopfert worden.