Sonja Rychkova

Blessed 2, 2023
Öl auf Leinwand
380 x 280 cm

Views, 2023
Öl auf Leinwand
260 x 280 cm

Courtesy die Künstlerin

Sonja Rychkova portraitiert Menschen aus ihrem Umfeld, Freunde, auch Jugendliche aus der Siedlung, in der sie aufgewachsen ist. Ihr Blick ist nicht der einer Fremden, er ist intim und vertraut. Seit Beginn ihres künstlerischen Arbeitens hat sie ihre Freunde als den Mittelpunkt ihrer Motivauswahl gesetzt. Diese bezeichnet sie als zentral für das, was sie bannt, was ihren Arbeitseifer antreibt, was sie obsessiv wieder und wieder in ihren Motiven bildhaft zu fassen versucht. Jugendliche auf der Suche nach ihrer Identität und Zugehörigkeit. Kleidung, Accessoires, Posen, Gesten sind Selbstinszenierung und Provokation zugleich.

Die Künstlerin zeichnet das Bild ihrer engsten Mitmenschen und ihrer Zeit und schafft monumentale Gemälde, bei denen die Körper dieser jungen Menschen den Bildraum zu sprengen scheinen. Ihre Menschenstudien macht sie durch Videoaufzeichnungen. Sie schaut und sucht nach der essenziellen Pose, fertigt daraus ihre Skizzen an, nach denen sie den Bildaufbau komponiert. Intimität der Nähe und doch Inszenierung der Personen, so wie sie gesehen werden möchten. Immer erkennen sich die Sujets auf den Bildern selbst, sie wissen, dass sie gemeint sind. Rychkova ist auf der Suche nach der einzelnen und einzigen Geste, die das portraitierte Individuum charakterisiert und gleichzeitig zur Ikone macht. Bigger than life und als Protagonisten behaupten sich diese Körper im Raum, den der Leinwand zuerst und dadurch auch den institutionellen Ausstellungsraum.

Sonja Rychkova beherrscht ihr Material. Auf rohem Baumwollstoff, grundiert mit Hasenleim, setzt sie eine erste, transparente Ölschicht, deren schnell gesetzte breite Pinselstriche explizit sichtbar bleiben. Die rostbraune Farbe ist ihr zentrales Element, in dem sie alle ihre Figuren auf die Leinwand bringt. Eigentlich als Imprimitur, in der klassischen Malerei zur Grundierung für weitere Farbschichten gedacht, benutzt die Künstlerin diese Farbe als stilistisches Mittel, als zentrales Merkmal ihrer Malerei. Sie verdünnt die Ölfarbe mit Terpentin, um Transparenz und Pastosität gekonnt einzusetzen und damit ihren Figuren Plastizität und Dreidimensionalität zu verleihen.

In ihren neuen für den Frankfurter Kunstverein entwickelten Werken arbeitet Rychkova zum ersten Mal mit kompositorischen Referenzen aus der klassischen Malerei. Fasziniert ist sie von den Figuren ihrer manieristischen Epoche: gestreckt und in der Bewegung eingefroren, mit der markanten Anatomie der schmalen und entblößten Körper. Auf den beiden Bildflächen teilt die Künstlerin die Figuren nach einer klassischen Komposition auf.

Für die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein sind zwei monumentale Gemälde entstanden. Die Malerin hat die beiden Bilder als Ensemble ortsspezifisch konzipiert. Das untere Bild zeigt zwei auf dem Boden liegende und aneinander gelehnte Figuren, deren Blicke und Körperhaltungen von den Betrachter:innen abgewandt ist. Wir schauen auf ihre Rücken. Auf dem oberen Bild heben sich zwei weitere Figuren auf der Leinwand ab. Sie halten sich an den Schultern und breiten ihre Arme aus. Die Geste bleibt offen und in der Schwebe, wie die Figuren selbst. Was in den meisten von Sonja Rychkovas Gemälden immer weggelassen wird, ist die Darstellung dessen, was in der klassischen Portraitmalerei den zentralen Fluchtpunkt darstellte: die Augen und der Blick eines erkennbaren Gesichts. Auch in diesen neuen Werken bleiben die Gesichter abgewandt, oder schemenhaft im Schatten verborgen. Denn die individuelle Portraitierung ist nicht ihr Thema. Die Malerin sucht in ihren Werken nach Posen, nach Haltungen, die eine Stimmung verkörpern und programmatisch für das Lebensgefühl eines Freundeskreises stehen. Dazugehörigkeit, Zusammenhalt und bedingungslose Freundschaft als Anker in einer Zeit, in der sich viele Menschen ausgeschlossen fühlen.

Sonja Rychkova (*1998 in Darmstadt, DE) studiert seit 2020 Malerei an der Hochschule für Gestaltung Offenbach bei Prof. Heiner Blum und Prof. Mike Bouchet. 2022 erhielt sie das Stipendium der Frankfurter Künstlerhilfe und 2021 gewann sie den Rundgangspreis der Hochschule für Gestaltung Offenbach. 2022 fand ihre erste Einzelausstellung im Bürohaus an der Alten Oper in Frankfurt am Main (DE) statt.