Tür II – Rassistischer Terroranschlag in Hanau: Das Haus des Täters

Nachdem er neun Menschen ermordet hatte, flüchtete der Täter in sein Haus in Hanau-Kesselstadt. Die Polizei traf erst etwa 45 Minuten später ein und betrat dann das Haus mehr als vier Stunden lang nicht. In diesen vier Stunden ermordete der Täter seine Mutter und tötete anschließend sich selbst, und verhinderte so jede Chance auf Gerechtigkeit.

Für unsere Ermittlung, die im Frankfurter Kunstverein zum ersten Mal vorgestellt wird, haben wir die Fallakten ausgewertet, einschließlich Aussagen von Zeug*innen und Polizist*innen, Pläne und Berichte, sowie Aufnahmen eines Polizeihubschraubers einer ersten Analyse unterzogen. So können wir die Bewegungen der Polizei in der Nacht nachvollziehen und Fragen zu ihrem Handeln stellen.

Wir zeigen, dass, obwohl der Polizei die Adresse des Täters unmittelbar nach der Tat bekannt war, die Eingangstür seines Hauses über einen Großteil der Nacht hinweg nicht ausreichend gesichert oder überwacht wurde.

Die Polizeibeamt*innen, die vor dem Haus standen, gaben an, sie hätten keine Schüsse gehört. Im Juni 2021 wurde nur durch die Arbeit der Familien und der Initiative 19. Februar Hanau enthüllt, dass dreizehn der Beamt*innen am Tatort Mitglieder von rechtsextremen Gruppenchats waren. Der Vater des Täters, von dem bekannt ist, dass er die extremistischen Ansichten seines Sohnes teilt, beharrt darauf, dass er nur Schüsse von draußen gehört habe.

Teil dieser Ermittlung war folglich ein Schallexperiment, das zusammen mit Akustikexpert*innen durchgeführt wurde, um die Behauptungen der Polizei und des Vaters zu überprüfen.

Unsere Analyse ergab, dass der Vater in seiner Aussage bei der Polizei gelogen haben muss. Sie ergab auch, dass, wenn die offiziellen Angaben zum Zeitpunkt der Schüsse korrekt sind, die Beamt*innen sie ebenfalls gehört haben müssen.

Da diese offizielle Angabe fehlerhaft sein kann, haben wir weiterhin die Hörbarkeit während der gesamten Nacht untersucht. Das ergab, dass die Schüsse über weite Strecken der Nacht zu hören waren, und dass die Polizeibeamt*innen nie an den notwendigen Schlüsselpositionen aufgestellt waren, um das Haus zu sichern.

Unsere Ermittlung stützt die langjährigen Forderungen nach Aufklärung und Konsequenzen in Bezug auf den tiefgreifenden Rassismus in der hessischen Polizei. Die Ergebnisse werden der laufenden parlamentarischen Untersuchung in Hessen zur Verfügung gestellt werden.

Forensic Architecture, London & Forensis, Berlin / Initiative 19. Februar Hanau

 

Hauptuntersuchungsleiter: Eyal Weizman
Veranwortliche Forscher*innen: Dimitra Andritsou, Robert Trafford
Recherche: Ashkan Cheheltan, Julian Brack, Georgia Skartadou, Christoffer Horlitz, Emily Dische-Becker
Videoproduktion: Cynthia-ël Hasbani
Aufnahmen: Marcin Wierzchowski, Peter Peiker, Laura Gist, Pola Sell
Sound design: Emil Olsen
Unterstützung der Recherchen: Nicholas Masterton, Christina Varvia, Lola Conte, Alican Aktürk
Projektunterstützung: Sarah Nankivell, Elisabeth Breiner, Sarah Hammerl, Veronika Nad
Expert*innen: Grant Waters, Eduardo Manzano (Anderson Acoustics); Nic Jentzen-Jones (Armament Research Services); Dr. Stephanie Walcott, Dr. Tal Simmons, Dr. Michael Pollanen
Übersetzung: Fabian Wolff
Wir danken den Mitgliedern der Initiative 19. Februar Hanau und dem Frankfurter Kunstverein, die uns bei der Produktion der akustischen Untersuchung wesentlich unterstützt haben, sowie den Bewohner*innen des Hauses
Diese Untersuchung wurde produziert dank der Unterstützung vom Frankfurter Kunstverein und Haus der Kulturen der Welt, Berlin