Abstract von Dr. Katharina Hajek
Obwohl sie im öffentlichen Diskurs oft übersehen werden, spielen Geschlecht, Geschlechterverhältnisse und Sexualität eine zentrale Rolle in der Politik und Mobilisierung rechtspopulistischer Parteien. Für Deutschland wird dies besonders an zwei Ereignissen der letzten Jahre deutlich: Zum einen die von 2014 bis 2016 in mehreren deutschen Großstädten organisierten Demonstrationen unter dem Titel „Demo für Alle“, die – inspiriert vom französischen „Manif pour tous“ – gegen die Aufklärung über sexuelle Vielfalt in den Schulen und die scheinbar „staatlich erzwungene Zerstörung“ der traditionellen Familie protestierten; zum anderen die umfangreichen rechten Mobilisierungen nach den sexuellen Übergriffen in Köln in der Silvesternacht 2015, die für den Schutz und das Selbstbestimmungsrecht deutscher Frauen gegenüber vermeintlich ausländischen Tätern zu kämpfen vorgaben.
Ein geschlechtersensibler Blick auf diese Mobilisierungen zeigt vor allem drei Dimensionen auf:
Erstens sind „Gender“ und „Familie“ für rechtspopulistische Akteure nicht nur zwei Themen unter anderen. Vielmehr wird mit den beschworenen Bildern der „bedrohten traditionellen Familie“ und der „bedrohten deutschen Frau“ ein Bedrohungsszenario konstruiert, in dem nichts weniger als die kulturelle und biologische Reproduktion der deutschen Bevölkerung und Gesellschaft auf dem Spiel steht. Die damit verbundenen Ängste sind eine der wichtigsten Stützen rechter Mobilisierungen in Deutschland.
Zweitens darf diese Politik nicht einfach als Versuch einer „Re-Traditionalisierung“ der Geschlechterverhältnisse missverstanden werden. Vielmehr verweisen sie auf eine tatsächliche und genuine Neuartikulation von vergeschlechtlichten Subjektpositionen und -beziehungen. Rechtspopulistische Geschlechterpolitiken propagieren nicht einfach eine „Haus-und-Hof-Politik“. Sie artikulieren neue weibliche Subjektpositionen, wie die der „defensiven Mutter“: eine spezifische Identifikationsform für weiße Frauen, die auf einem Bild reproduktiver, aber stets politisch mobilisierter und vermeintlich emanzipierter Weiblichkeit beruht.
Drittens darf Antifeminismus und Anti-Gender-Politik in Deutschland nicht auf eine Partei oder Parteipolitik als solche reduziert werden. Vielmehr haben wir es mit einer breiteren rechten Diskurskoalition zu tun, die weit in das breitere konservative und liberale Spektrum hineinreicht. Das rechtspopulistische Projekt ist also auch insofern bereits sehr erfolgreich, als es an bereits vorhandene und in der deutschen Gesellschaft populäre Diskurse um Geschlecht und Familie anknüpft. Nicht zuletzt ist es ihnen in den letzten Jahren gelungen, diese Diskurse deutlich nach rechts zu verschieben.