Eric van Hove
Dorigin, 2016

Mischtechnik, 240 Materialien des ursprünglichen Fahrzeuges Mercedes Benz 240 D
468 x 177 x 144 cm, 1430 kg
Courtesy der Künstler

Für die Ausstellung entwickelte Eric van Hove dank der Unterstützung des Frankfurter Kunstvereins die neue Arbeit Dorigin. Hierbei handelte es sich um ein Mercedes-Benz 240 D, der aus den Einzelteilen zehn verschiedener Fahrzeuge zusammenmontiert wurde. Van Hove interessierte sich für den geschichtlichen und gesellschaftlichen Symbolwert des Autos. Das Modell war in den 1970er und 1980erJahren eines der meistverkauften Autos in Deutschland. In der Nachkriegsepoche des wirtschaftlichen Aufschwungs stand dieses Fahrzeug für die Mobilität einer aufstrebenden Mittelschicht, bis es für überholt befunden, ausrangiert und in den afrikanischen Raum exportiert wurde. In den folgenden Jahrzehnten kam das Fahrzeug hier vorwiegend als Taxi zum Einsatz. Auch in Marokko steht die Marke Mercedes-Benz für Hochwertigkeit und exzellentes industrielles Design. So repräsentierte dieses Auto das Versprechen solider und zuverlässiger deutscher Technologie, die dank ihrer rein mechanischen Konstruktion von den Besitzern repariert, in Teilen nachgebaut und in ihrer Funktion erhalten wurde.

Die unterschiedlichen Farben der Karosserie von Dorigin verwiesen auf die Städte Marokkos, in denen der Mercedes als Taxi fuhr. So steht Pistazien-Grün für Meknes, Blau-Grün Metallic für Knefra/Tighassaline, Himmelblau für Imzagame, Ocker für Ouarzazate, Weiß für Casablanca und Orange für Larache. In Vergangenheit zog der marokkanische Staat diese Fahrzeuge zugunsten höherer Umweltstandards ein. Das Kunstwerk entstand im Atelier van Hove. Dorigin versteht sich als Plastik, die nach den Prinzipien der Montage gefertigt wurde und sich als skulpturale Collage behauptet, die jedoch vom Künstler vorübergehend in seine originäre Funktion zurückgeführt wurde.

Van Hove arbeitete mit dem ihm eigenen künstlerischen Prinzip der Transformation. Er wählt Gegenstände aus, die für ein historisches und gesellschaftliches Phänomen stehen, um diese dann auf deren Bedeutung im Wandel der Kontexte hin zu untersuchen. Eric van Hove kodiert somit einen Gebrauchsgegenstand zu einem Kunstwerk um und macht aus einem Serienprodukt ein Unikat. Mit Dorigin baute van Hove eine konzeptionelle Verbindung auf zwischen dem Ursprungsland des Mercedes-Benz 240 D und dessen zweiter Heimat Marokko. Dort sind diese Fahrzeuge immer noch weitverbreitet und prägen das Straßenbild. Durch die Produktion des Werkes in Marrakesch, eines durch den Frankfurter Kunstverein ermöglichten komplizierten Einfuhr-und Zollverfahrens, konnte Dorigin wieder nach Deutschland gelangen.

Als funktionsfähiges Fahrzeug wurde das Auto vom Künstler und drei Teammitgliedern von Marokko über Spanien und Frankreich nach Deutschland gefahren, um in den Ausstellungsräumen des Frankfurter Kunstvereins als Exponat ausgestellt zu werden.

So wurde es mit neuer Bedeutung in seinen ursprünglichen Kontext zurückgeführt.

Bei Dorigin schließt der Künstler einen Kreislauf: von Deutschland geht es über Marokko, wieder ins Ursprungsland zurück. In diesem Prozess wird das Fahrzeug, ein Produkt aus der Warenwirtschaft, zum Symbolträger für eine kulturübergreifende Wechselbeziehung.

Der Titel Dorigin ist ein Lehnwort aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „ursprünglich.“ Der Ausdruck verweist im marokkanischen Sprachgebrauch auf die Wertschätzung der Konsumartikel, die aus Europa nach Nordafrika importiert werden.

 

Dorigin, 2016
Film
Creative Director Meriem Abid
Courtesy der Künstler

Der für die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein produzierte Film bildet – gemeinsam mit dem Mercedes-Benz 240 D – das Werk Dorigin. Der Film zeigt die Fertigung des Fahrzeugs in Marokko und seine Reise nach Frankfurt. Der erste Teil des Films dokumentiert den Zusammenbau des Autos. Durch die Abwesenheit des Menschen, scheint sich der Aufbau des Fahrzeugs wie von selbst zu vollziehen. Auf der Reise wird Dorigin zu einem Wanderer auf dem Weg nach Norden. Ausgehend von Marrakesch durchfährt das Fahrzeug Spanien, Frankreich und Deutschland.
Auf der Route passiert Dorigin Orte, welche die Wechselbeziehung arabischer und europäischer Kultur und ihre gemeinsame Geschichte repräsentieren: Die Stadt Sesena Nuevo in der Provinz von Toledo, die bis 2007 für 21.000 Bewohner geplant wurde, seit dem Platzen der Immobilienblase jedoch fast vollständig leer steht und das Potenzial hat. neuen Wohnraum für Zuwanderer zu bieten; die Gedenkstätte Douaumont in Verdun, wo während des ersten Weltkriegs 70.000 muslimische Soldaten im Kampf für Frankreich fielen; oder die heutige Konrad-Adenauer ­Brücke zwischen Ludwigshafen und Mannheim, an der zwischen 1918 und 1925 das marokkanische Kolonial-Infanterieregiment für die Überwachung des französisch besetzten Rheingebiets eingesetzt wurde.