Fleuryfontaine – I would prefer not to

2019
Video- und Rauminstallation, 19 min
Produziert von Le Fresnoy mit der Unterstützung von Palais des Paris, Takasaki (Japan), Frédéric Weigel, Yoshiko Suto
Courtesy the artists

Fleuryfontaine ist ein französisches Künstlerduo, das aus Galdric Fleury und Antoine Fontaine besteht. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit der Interaktion zwischen Menschen und ihrer Umgebung. Die Frage nach der durch Technik entstehenden Abhängigkeit spielt dabei eine zentrale Rolle.

In der Videoinstallation „I would prefer not to“ (Lieber nicht) erstellen Fleuryfontaine ein Portrait von Ael, einem jungen Mann aus Südfrankreich, der seit 13 Jahren als „Hikikomori“ lebt. Der Begriff stammt aus Japan und bezeichnet Menschen, meist handelt es sich um Männer, die sich fast gänzlich aus der Gesellschaft und dem öffentlichen Lebensraum zurückziehen. Hikikomoris verlassen ihr Zimmer oder ihre Wohnung für Monate oder Jahre nur selten oder gar nicht.

Ael ist ein real existierender junger Mann. Er bewohnt eine Hütte im Garten seines Elternhauses. Abgesehen von Besorgungen wie Zigaretten, verbringt er seine gesamte Zeit in dieser Hütte. Soziale Kontakte pflegt er über das Internet. So kommunizieren auch Fleuryfontaine mit Ael und lernen ihn und seine Umgebung langsam kennen. Diesen Prozess dokumentiert die künstlerische Arbeit. Durch eine Entwicklungsumgebung für Games übersetzen die Künstler Aels reale Welt in eine computergenerierte Welt. Anfangs haben sie noch wenig Wissen über seine Welt und folgen ihren eigenen Vorstellungen. So bleibt der Raum angedeutet und nur wie durch Nebel erkennbar. Diese digitale Rekonstruktion senden sie Ael. Wir erleben dessen erste unmittelbare Eindrücke und hören seine Kommentare, wodurch sich eine Analogie zu Walkthrough-Videos aus der Gamewelt einstellt. Durch dieses Format, eine Form von How-to-Videos, erfahren wir Aels gewählt begrenzte Welt aus seiner individuellen Perspektive. Wir sehen durch seine Bewegung, wir erleben, was er erlebt, und wir hören, was er erzählt.

Im Verlauf der Zeit wächst das Vertrauen Aels zu den Künstlern. Er gibt ihnen detailliertere Einblicke in sein Lebensumfeld und so können Fleuryfontaine dieses realistischer nachzeichnen. Gegen Ende des Films sehen wir eine Handyaufnahme, die Ael während eines kurzen nächtlichen Gangs in die reale Außenwelt aufnimmt und bei der wir der steigenden Beklemmung zusehen, die Ael erlebt, wenn er seinen Schutzraum verlässt.

Ein zentraler Aspekt von „I would prefer not to“ sind Grenzen. Der virtuelle Raum der nachgebauten Welt ist durch die gestaltete Umgebung definiert: in einer Version kann Ael die Hütte nicht betreten, in einer anderen den Garten nicht verlassen. In der Realität hingegen hat er seine Abgrenzung zur Außenwelt selbst gewählt. Diese fungiert nicht als Einschränkung, sondern als Schutz. Diesen Ort erweitert er um den virtuellen, aus dem heraus er sozial interagiert, doch die Grenzen bleiben spürbar. Beim Versuch den Schutzraum zu verlassen erreicht Ael bei einem nächtlichen Gang einen Punkt, den er psychologisch nicht überwinden kann. Was bleibt sind Andeutungen und Ahnungen aus seiner Vergangenheit. Bilder und Erfahrungen, die ihn nicht loslassen und aus deren inneren Grenzen er nicht auszubrechen weiß.