Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP)

Prof. Dr. Alexander Böker, Direktor Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP
Dipl.-Ing. Thomas Büsse, Leitung Verarbeitungstechnikum für Biopolymere Schwarzheide
Dr. Jens Balko, Leitung Verarbeitungstechnikum für Biopolymere Schwarzheide
Heiko Ziller, Technischer Mitarbeiter
Danny Pytek, Technischer Mitarbeiter
Jens Kunkel, Versuchsplanung und Zusammenstellung Exponate
Fabian Textor, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Frischhalte-Dosen, Cremedosen, Kabeldurchführungen und Schraubverschlüsse (Spritzguss), Joghurt-Becher und Schalen (Thermoformen), Trink- und Shampooflaschen (Blasformen), Folien (Flach- und Blasfolien) aus Polybutylensuccinat
Diverse Größen

Courtesy Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

Kunststoffe kommen aufgrund ihrer Materialeigenschaften in allen Anwendungsfeldern zum Einsatz: von Verpackungen in unserem Alltagsgebrauch bis hin zu Hochleistungskomponenten in der Luft- und Raumfahrt. Sie haben eine geringe Materialdichte und sind kosteneffizient in der Herstellung. Gegenüber anderen Materialien erzeugen sie weniger Energieeinsatz.

Allein im Jahr 2021 lag die weltweit produzierte Kunststoffmenge bei 391 Mio. Tonnen und die Tendenz steigt nach wie vor. Etwa 90 % der produzierten Menge entfällt dabei auf Massenkunststoffe wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET) oder Polystyrol (PS) – sie stellen als thermoplastische Polymere einen wesentlichen Teil der Endprodukte in der chemischen Industrie dar. Für diese heute eingesetzten Kunststoffe werden fast ausschließlich fossile Rohstoffe verwendet.

Nur ca. 1,5 % der 2021 produzierten Kunststoffe basieren auf nachwachsenden Rohstoffen. Zur erfolgreichen Transformation einer auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft muss der Anteil an nachwachsenden Rohstoffen in der weltweiten Kunststoffherstellung unbedingt zunehmen.

Ein noch vollständig ungelöstes Problem ist die Menge an Kunststoff in allen Bereichen der Umwelt, in Flüssen und Meeren, aber auch in Böden. Kunststoff wird absichtlich weggeworfen, wenn Abfallsammelsysteme fehlen, aber auch unabsichtlich. Große Mengen kommen auch durch Abrieb- und Abnutzungsvorgänge in die Umwelt. Die Kunststoffteilchen sind in allen Größenordnungen bis in den Mikro- und Nanometerbereich zu finden. Das Ausmaß der Auswirkungen auf die Flora und Fauna sowie auf den menschlichen Körper ist erheblich.

Biokunststoffe werden derzeit produziert, um die Massenkunststoffe zu ergänzen und zum Teil schon zu ersetzen. Ein Beispiel für einen Biokunststoff ist Polybutylensuccinat (PBS). PBS ist besonders vielversprechend, weil es ähnliche mechanische, optische und haptische Eigenschaften sowie Verarbeitungsbedingungen wie die ölbasierten Massenkunststoffe PE und PP hat. PBS wird aus zwei Monomeren synthetisiert: Bernsteinsäure und Butandiol. Diese chemischen Grundbausteine werden über ein Polykondensations-Verfahren synthetisiert.

Beide Stoffe können aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, die aus Cellulose-haltigen Abfällen aus der Land- und Forstwirtschaft stammen. Die Cellulose wird in einem chemischen Verfahren aufgespalten und die dabei entstehenden Zucker werden im nächsten Schritt mithilfe von Bakterien zu Bernsteinsäure und Butandiol fermentiert. Aus Bernsteinsäure und Butandiol kann das zu 100 % biobasierte PBS hergestellt werden. Dieser Stoff ist neben der Polymilchsäure (PLA) ein wichtiger Meilenstein im Wandel zu einer biobasierten Kunststoffindustrie.

PBS ist gut biologisch abbaubar. Bei geeigneten Umweltbedingungen hat es ein ähnliches Abbauverhalten wie Holz. Bakterien verstoffwechseln und zerlegen PBS unter Nutzung ihrer Enzyme. Was als Abbaustoffe übrig bleibt, sind Kohlendioxid und Wasser. Bei einem Anstieg des Einsatzes biologisch abbaubarer Biokunststoffe könnte in Zukunft die besorgniserregende Verbreitung ölbasierter Kunststoffe in sämtlichen Biotopen unseres Planeten reduziert werden.

Die Neuproduktion von ölbasierten, nicht abbaubaren Kunststoffen muss so schnell wie möglich verringert und dann in geeigneten Einsatzgebieten möglichst vermieden werden. Auf dem Weg zu einer vollkommen nachhaltigen Wirtschaftsweise muss die Steigerung der Rate der Wiederverwendung und des Recyclings ölbasierter Kunststoffe – aber auch von Biokunststoffen – höchste Priorität haben.

PBS kann wie die meisten konventionellen thermoplastischen Kunststoffe recycelt werden, denn es kann in modernen Sortieranlagen erkannt und aussortiert werden. Das heißt, dass Voraussetzungen für eine Wiederverwertung aller Kunststoffe eine moderne Anlage mit optischen Materialerkennungstechniken und die Trennung des Mülls bereits bei den Verbraucher:innen sind.

Wiedergewonnenes PBS kann in neue Produkte eingearbeitet werden. Das Fraunhofer IAP kooperiert mit Industriepartner:innen, um die Typenvielfalt des PBS zu erhöhen und dadurch die Anwendungsmöglichkeiten zu erweitern. Um PBS einzusetzen, bedarf es keiner neuen Verarbeitungstechnologien. Der biobasierte Stoff kann für Spritzgussverfahren, zur Folienherstellung sowie für Blas- und Thermoformen verwendet werden. Die am IAP entwickelten nachhaltigen Materialien stehen an der Schwelle zu ihrem Markteintritt.