„Guts”, ein Film von Taylor Hess und Noah Hutton

Guts, 2019
HD-Video, 12:52 min
Mit der Insel Neufundland, CLEAR, Rick Chavolla, und Max Liboiron
Kameraführung und Schnitt von Taylor Hess und Noah Hutton
Courtesy Taylor Hess und Noah Hutton

Der Kurzfilm Guts von Noah Hutton und Taylor Hess adressiert die Verantwortung der Wissenschaft und ihre Unabhängigkeit im Dienst der sozial-ökologischen Transformation. Protagonist ist das Forschungskollektiv CLEAR im kanadischen Neufundland. Gedreht in den Gebieten Beothuk und Mi’kmaq, die von den indigenen Gemeinschaften der NunatuKavut, Nunatsiavut und der Innu Nation bewohnt werden, dokumentiert der Film die Arbeit von CLEAR, das von Dr. Max Liboiron geleitet wird. CLEAR steht für Civic Laboratory for Environmental Action Research (Bürger:innen-Labor für Umweltforschung und -handlung) und beschreibt sich selbst als ein aktivistisches, anti-koloniales und feministisches Labor.

Das Kollektiv steht für eine neue Wissenschaftler:innen-Generation, die westlich geprägte naturwissenschaftliche Methoden mit lokalem indigenem traditionellem Wissen und ethischem Umgang mit nicht-menschlichen Lebewesen sowie Menschen verbindet. CLEAR ist auf die gemeindebasierte und bürgerschaftliche Überwachung von Plastikverschmutzung spezialisiert, insbesondere in wilden Nahrungsketten, sowie auf die Entwicklung und Anwendung anti-kolonialer Forschungsmethoden. Der Film führt vor Augen, wie sehr die Meere durch Plastik verschmutzt sind und welche Auswirkungen dies auf Mensch und Natur hat. Wie wichtig neue, nachhaltige Materialien und Alternativen zu Plastik sind, wird dadurch umso deutlicher.

Dr. Max Liboiron erklärt im Film, dass Wissenschaft keineswegs apolitisch ist. Die Geschichte von Wissenschaft, Technologie und Medizin ist untrennbar mit der Geschichte von Kolonialismus, Imperialismus und Kriegen verbunden. Sogar die Entscheidung darüber, welche Aspekte eines Phänomens untersucht werden – etwa die Wahl der Quantifizierungsmethoden, welche Statistiken zugrunde gelegt oder erstellt werden, in welchen Bezug Sachverhalte gestellt werden, wo Ergebnisse veröffentlicht werden, mit wem zusammengearbeitet wird, wer die Forschung finanziert – all dies ist politisch. Denn es bedeutet, dass manche Strukturen und Machtverhältnisse sich fortsetzen und beeinflussen, dass manches Wissen gehört wird und anderes nicht. Die dominierenden Wissenssysteme geben traditionell hauptsächlich die Perspektiven weißer, männlicher, westlicher Wissenschaftler wieder, und dies hat zu einer eingeschränkten und voreingenommenen Sicht auf die Welt geführt. Somit ist die Fortsetzung eines Status quo auch in der wissenschaftlichen Arbeit intrinsisch politisch.

Die Arbeit des CLEAR-Labs stützt sich auf das Denken von Donna Haraway und weiteren feministischen Wissenschaftsforscher:innen, die in den 1980er-Jahren den Begriff der situated knowledge geprägt haben. Laut Haraway et al. ist jegliches Wissen situiert, da es von Menschen in spezifischen sozialen, kulturellen und historischen Kontexten erzeugt wird. Diese Auffassung ist für feministische und marginalisierte Perspektiven besonders wichtig: Situiertes Wissen erkennt die vielfältigen Erfahrungen und Perspektiven verschiedener Gruppen an und würdigt den Wert des Wissens, das aus diesen Erfahrungen entsteht. Indem wir die Situiertheit des Wissens erkennen, können wir uns der Machtstrukturen bewusster werden, die die Wissensproduktion prägen, und daran arbeiten, inklusivere und gerechtere Wissenssysteme zu schaffen. CLEAR-Lab engagiert sich auf dieser Ebene für die Anwendung neuer Methoden und Ethiken in der Wissenschaft sowie für das Teilen von Wissen und DIY-Forschungsmethoden mit den Bürger:innen (Citizen Science).