Körper-Ich: Melanie Gilligan

THE COMMON SENSE (PHASE 1), 2014-15
5-Kanal HD Video-Installation, LED-TVs, pulverbeschichtete Stahlröhren, synchronisiert, Farbe, Sound
Videos je 6-7 min
Courtesy the artist and Galerie Max Mayer, Düsseldorf

In der Videoinstallation inszenierte Melanie Gilligan die ersten Episoden ihrer insgesamt dreiteiligen Sci-Fi-Serie The Common Sense. Die Geschichte entwickelt sich um eine Technologie mit dem einfachen Namen „Patch“. Wie eine Pastille wird sie im Gaumen platziert und ermöglicht dann eine emphatische Verbindung zu anderen Personen, die es erlaubt, deren Gefühle wahrzunehmen und nachzuempfinden. In dem Zukunftsentwurf von Gilligan existiert diese fiktive Technik, die in ihren Prinzipen an eine Gefühlsökonomie bereits heute existierender sozialer Netzwerke erinnert, bereits seit zehn Jahren. In dieser Zeit hat sich das Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv maßgeblich verändert. Die Teilhabe an einer durch den „Patch“ konstruierten Gemeinschaft, in der die neue Technik auch als Instrument für Kontrolle und Überwachung dient, ist Voraussetzung für die soziale und die wirtschaftliche Existenz einzelner Personen. In der ersten Szene wird einer Klasse – und somit auch dem Zuschauer – anhand von Aufklärungsfilmen aus der Zeit der ersten Generation von „Patch“ gezeigt, mit welchen Visionen die neue Technologie verbunden wird. Im Verlauf der Episoden wird deutlich, dass in einigen Situationen tatsächlich das neugewonnene zwischenmenschliche Verständnis zu einem harmonischeren Zusammenleben geführt hat. Allerdings ist die entstandene menschliche Gemeinschaft nicht zu trennen von einem Kapitalismus, der Selbstoptimierung predigt und soziale Kontrolle durch Transparenz gewährleistet.
So wird das Individuum als Teil eines gesellschaftlichen Körpers im Hinblick auf seine physische Leistung und mentale Effizienz konditioniert. Gilligan befragt den Gegensatz zwischen einem als negativ gesehenen Individualismus und einem als positiv gewerteten kollektivem Verhalten, wenn die Gemeinschaft im Dienste eines ökonomischen Systems entsteht. In ihrer utopischen Vision spitzt Gilligan die Verlagerung von sozialen Interaktionen in einer virtuellen Welt zu und zeigt wie angreifbar diese Entwicklung für kommerzielle Erwartungen ist. In dem Szenario einer gesteigerten zwischenmenschlichen Verbindung thematisiert die Künstlerin die drängende Frage wie Zusammenleben gestaltet wird und welchen Stellenwert Individualität und Gemeinschaft dabei bekommen.