Marshmallow Laser Feast
Distortions in Spacetime, 2018
Echtzeit-interaktive, begehbare Installation, Mehrkanal-Audio
9 min 40 sec
Courtesy Marshmallow Laser Feast
Marshmallow Laser Feast (MLF) sind ein Künstler:innenkollektiv aus London, das an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Kunst arbeitet. Mit ihrer Installation Distortions in Spacetime (Krümmung der Raumzeit) nehmen sie die Besucher:innen mit auf eine Reise ins Universum und zu einer sinnlichen Begegnung mit der Entstehung eines sogenannten stellaren Schwarzen Lochs. Das begehbare, audiovisuelle Kunstwerk schafft Bilder, die astrophysikalische Forschung und Erkenntnisse in eine visuelle Allegorie überführen.
Marshmallow Laser Feast sind international für ihre enge Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftler:innen bekannt, aus der Kunstwerke entstehen, die die Wahrnehmung von Natur durch immersive Technologien erweitern. 2021 bereits wurden sie vom Frankfurter Kunstverein für die Ausstellung Die Intelligenz der Pflanzen mit ihrem Werk Treehugger: Wawona eingeladen.
Die Astrophysik verfügt heute über immer bessere Möglichkeiten, unseren Blick bis in die Tiefe des Kosmos vordringen zu lassen. Daten und mathematische Berechnungen der Forscher:innen bleiben aber für Laien oft unzugänglich. Marshmallow Laser Feast versuchen mit den Mitteln ihrer Kunst, den Abstraktionsgrad mathematischer Theorien für eine breite Öffentlichkeit bildhaft zu übersetzen. Distortions in Spacetime widmet sich der Entstehung von Gravitation, sterbenden Sternen und Schwarzen Löchern und setzt diese in Beziehung zu unserer körperlichen Anwesenheit.
Ein stellares Schwarzes Loch entsteht, wenn sehr massereiche Materie wie der Kern eines großen sterbenden Sterns kollabiert. In den letzten Momenten dieses Kollapses wird die Materie so stark komprimiert, dass ihre Dichte ins Unendliche geht. Diese extrem hohe Dichte erzeugt einen Punkt innerhalb des Schwarzen Lochs, an dem die Krümmung der Raumzeit unendlich ist und die uns bekannten physikalischen Gesetze nicht mehr gelten: Die Zeit steht still, und die Gravitation wird so stark, dass nicht einmal Licht der Anziehungskraft entkommen kann. Die Energie, die dieses Schwarze Loch formt, setzt eine Supernova-Explosion frei, die die Bausteine des Lebens – Kohlenstoff, Sauerstoff, Silizium, Schwefel, Kalzium und Eisen – ins All schleudert. Aus kosmischen Explosionen entstehen die Elemente, aus denen neue Planeten, unsere Erde, alle Lebewesen, Pflanzen, Tiere und letztlich auch wir Menschen hervorgegangen sind.
Besucher:innen betreten einen rundum verspiegelten Kubus. Um sie herum entspinnt sich ein Bilderrausch aus fließenden und wirbelnden Farbatomen und Klängen wie in einer kosmischen Oper. Die Technologie der Installation erfasst in Echtzeit die Körper der Menschen und modelliert sie in die galaktischen Explosionen und Kompressionen hinein. In die Partikelwolken schreiben sich die Umrisse der Körper der Menschen ein und werfen den Schatten ihrer Anwesenheit ins All.
Was die Animation Distortions in Spacetime vermitteln kann, ist das Staunen in Anbetracht des Großen und Ganzen und des übergeordneten Gefüges, von dem wir ein Teil sind. Ein Empfinden für größere Zusammenhänge stellt sich ein, wie es Astronaut:innen erleben, wenn sie die Erde aus dem Weltraum betrachten. Sie berichten von einem Gefühl der Ganzheit, wenn sie den Planeten ohne politische Grenzen in seiner ganzen Schönheit aus der Ferne sehen und erfasst werden von dem tiefen Verständnis für die Verletzlichkeit des Lebens auf der Erde.
Um den Ursprung von allem – auch des Universums selbst vor dem Urknall – zu denken, hat der Mensch seit jeher religiöse Deutungen, Mythen und wissenschaftliche Theorien entwickelt. Das theoretische Modell unserer Zeit geht auf Einsteins Relativitätstheorie zurück: Am Anfang war reine Energie, es existierte keine Zeit, kein Raum, alles war zur selben Zeit, an einem Punkt. Bis der Urknall alles, das Universum, die Grundkräfte, die Sterne und letztendlich die Erde und den Menschen hervorbrachte. Wie kann man diese Unermesslichkeit verstehen? Wie kann man begreifen, worauf unsere Sinnesorgane nicht ausgerichtet sind?
Unsere Vorstellung von der Realität hängt davon ab, wie unser Körper strukturiert ist, um die Welt wahrzunehmen. Die wissenschaftliche Forschung, die das Wesen der Natur erkundet, enthüllt ein breites Spektrum von Realitäten, die oft jenseits unserer Wahrnehmung liegen. Die Kunst tut dies auch, aber sie führt alles zu uns und auf uns zurück, indem sie nach der Bedeutung des Wissens für uns fragt und es in Bildern imaginierbar werden lässt.
In der Tiefe der Raumzeit liegt die Essenz dessen, was uns Menschen ausmacht. Das Künstler:innenkollektiv stellt sich der Herausforderung, die Auseinandersetzung mit der Natur des Universums und unsere eigene Existenz sinnlich miteinander zu verbinden.
Marshmallow Laser Feast (MLF) ist ein in London, GB, ansässiges Künstler:innenkollektiv, das durch die Verbindung von Kunst, Film und Extended Reality immersive Erfahrungen schafft, die die menschliche Wahrnehmung erweitern und unsere Beziehung zur natürlichen Welt erforschen. Dafür arbeitet MLF mit interdisziplinären Expert:innen aus Kunst, Programmierung, Ingenieurwesen, Poesie und Chemie zusammen und entwickelt maßgeschneiderte Software- und Hardwaresysteme. MLF hat international bei Institutionen wie dem Barbican Centre, London (GB), dem ACMI, Melbourne (AU), dem Yamaguchi Center for Arts and Media – YCAM (JP), dem Phi Centre, Montreal (CA), der Istanbul Design Biennial (TR) ausgestellt. Das Kollektiv ist bekannt für ihre preisgekrönten Arbeiten wie We Live in an Ocean of Air (2018) und In the Eyes of the Animal (2016), letzteres wurde mit dem Wired Audi Innovation Award für Innovation im Experience Design ausgezeichnet. TreeHugger: Wawona wurde 2021 im Frankfurter Kunstverein gezeigt und gewann u. a. den Tribeca Storyscapes Award für Innovation im Storytelling sowie den Best VR Film Prize beim VR Arles Festival (FR). Die Arbeiten von MLF wurden auch in führenden Publikationen wie The Guardian, New Scientist, Wired, The Times und Creative Review vorgestellt.