Simon Gilmer
Im 2. OG rechts hinter der Wand, 2025
Graupappe, Holz, Jeweils 300 x 120 x 180 cm
Courtesy der Künstler
Simon Gilmer (*1997, Pirmasens, DE) studiert an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Seine Arbeit befindet sich an der Schnittstelle von Bildhauerei, Fotografie und Szenischem Raum.
Das Medium Karton ist Gilmers zentrales Material. Mit ihm baut er Räume und Objekte, die einen Modellcharakter haben. Der Maßstab seiner Konstruktionen orientiert sich am Original. So entstehen Skulpturen im Maßstab von 1:1. Diese fotografiert er, sodass von den temporären Strukturen ein Bild bleibt.
In Gilmers Schaffen erhebt das Modell den Anspruch ein eigenständiges Element mit skulpturaler Bedeutung zu sein. Gilmer hat eine Ausbildung in Architektur. Seine Fähigkeit professionellen Modellbaus rückt er in den Kontext theoretischer Überlegungen zur Wahrnehmung von Räumen.
Im Frankfurter Kunstverein lässt Gilmer eine Wand einziehen, die den Ausstellungsraum teilt, ohne dass die Veränderung offensichtlich wird. Die weiße Wand weist zwei kleine Guckfenster auf, an die Besucher:innen nah herantreten und durch deren Öffnungen sie in jeweils einen Raum blicken. In ihnen stehen Objekte in einer komponierten Anordnung, die gänzlich im monochromen Grau gestaltet wurde. Durch die Monochromie heben sich Form und Struktur besonders hervor und verzichten gänzlich auf den Verweis einer Funktion. Die Lichtführung schafft die Plastizität der Gegenstände. Die Beleuchtung wird Teil der Gestaltung und passt sich formal an die ortsspezifischen Gegebenheiten des Frankfurter Kunstvereins an. Gilmer schafft einen Raum, bei dem Besuchende nicht unmittelbar zuordnen können, ob es ein Blick hinter die Kulisse des Ausstellungshauses, oder eine eigenständige, artifizielle Welt ist.
In der Geschichte der Architektur ist das Modell seit jeher ein zentrales Instrument, um Ideen anhand von dreidimensionalen Umsetzungen körperlich anschaulich und erfahrbar zu machen. Das Modell dient dazu, die Entwicklung von Gebäuden im Voraus zu sehen.
Für den Renaissance Architekturtheoretiker Leon Battista Alberti (1404-72) konnte die Idee des Projekts nur durch ein Modell gebührend veranschaulicht werden, da ansonsten die Idee nur im Kopf der Planer:innen existierte. Die vermasste Zeichnung, aber in umfassender Form das Modell, hilft mit seiner dreidimensionalen Körperlichkeit, Auftragsgeber:innen aber auch Gewerken die Planung allseitig zu vermitteln. Das Modell sei, so Alberti, das beste Werkzeug zur Untersuchung und Umsetzung einer Idee. Charakteristisch für das Modell war das Fehlen von Verzierungen, da es als Mittel zur Beurteilung der Strenge von Formen und architektonischen Entscheidungen dienen sollte.
Simon Gilmer löst das Modell vom operativen und funktionalen System und verleiht ihm einen künstlerischen Status. Seine Konstruktionen weisen eine geheimnisvolle Aura auf, in der eine Zuordnung in der Schwebe bleibt und eine suggestive Distanz zum Erfahrungsraum gewahrt wird.
Simon Gilmer (*1997, Pirmasens, DE) studiert seit 2021 an der Hochschule für Gestaltung Offenbach (DE) bei Prof. Heike Schuppelius. Zuvor schloss er seinen Bachelor in Architektur an der Frankfurt University of Applied Sciences (DE) ab. Seine Arbeit befindet sich an der Schnittstelle von Bildhauerei, Fotografie und szenischem Raum. In seinen skulpturalen Arbeiten setzt sich Gilmer mit der ästhetischen und räumlichen Wirkung funktionaler Objekte auseinander, indem er deren formale Strukturen durch modellhafte Konstruktionen abstrahiert und neu kontextualisiert.
Gilmer präsentierte seine Arbeiten in verschiedenen Institutionen und Off-Spaces wie unter anderem dem Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main (DE), dem AAArbeitsamt Offenbach (DE), dem Kunstverein Ludwigshafen (DE), dem Zollamt in Offenbach am Main (DE), dem G10 Projektraum in Darmstadt (DE), dem Kunstraum Potsdamerstraße in Berlin (DE) und dem Magma Maria in Offenbach (DE). 2021 gründete er den Verein raumfahrt e.V. für aktive Auseinandersetzung mit Raum. Er gewann in der Architektur sowie in der Kunst bereits verschiedene Preise und erhält aktuell das Deutschlandstipendium.