Abel Rodríguez
El árbol de la vida y la abundancia (Der Baum des Lebens und der Fülle), 2019
Tinte auf Papier
150 x 150 cm
Bosque Vega (Der Wald Vega), 2019
Tinte auf Papier
50 x 70 cm
Courtesy Spore Foundation Collection
Las plantas cultivadas por la gente de centro en la Amazonia colombiana (Pflanzen, die von den Bewohnern des Zentrums im kolumbianischen Amazonasgebiet angebaut werden), 2013
Courtesy Tropenbos Internacional Colombia
El árbol de la vida, 2021
Ein Film von Simón Hernández Estrada
Produziert dank der Unterstützung von Frankfurter Kunstverein
10:35 min
Courtesy La Popular / Instituto de Visión
ABEL, 2014
Ein Film von Fernando Arias
16:44 min
Courtesy Prince Claus Fund for Culture and Development
Abel Rodríguez (Nonuya Name: Mogaje Guihu) ist ein Ältester des Nonuya, einer indigenen Gemeinschaft aus der Mitte des Cahuinarí-Flusses in Kolumbien. Durch Zeichnungen und Erzählungen gibt er das Wissen seiner Ahnen über Pflanzen im Amazonasbecken, deren Koexistenz mit Tieren und deren mythologische Bedeutungen an nachfolgende Generationen weiter. Traditionell war in seiner Gemeinschaft die Weitergabe von Wissen nur wenigen Mitgliedern von Generation zu Generation durch eine strenge Abstammungslinie anvertraut. Seine Gemeinschaft wurde durch die Ausbeutung der Umwelt und die Guerillaoperationen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) vertrieben. Um sein kulturelles Erbe zu bewahren, begann Don Abel, sein Wissen zu malen.
In den 1980er Jahren begann die niederländische Tropenbos Gesellschaft, die sich für die Erhaltung des Amazonas und für das Leben der lokalen Gemeinschaften einsetzt, Don Abels Wissen über lokale Pflanzen mit Unterstützung eines Biologen methodisch zu erfassen. Er übertrug sein Wissen in botanische Zeichnungen, damit Forscher*innen es verstehen und erfassen konnten. In die Millionenstadt Bogotá umgesiedelt, musste er viel aus dem Gedächtnis zeichnen. Er malte Farbe, Geschmack, Blütezeit, Nutzung und die Landschaft, in der spezifische Pflanzen wuchsen. Aus seinen Kartierungen und mündlichen Beschreibungen wurden Bildbände, die sowohl auf Muinane als auch auf Spanisch das traditionelle Wissen für alle frei zugänglich weitergeben.
Don Abels Zusammenarbeit mit der Tropenbos Gesellschaft vereinte zwei unterschiedliche Formen von Wissen. Auf der einen Seite das traditionelle indigene, bei dem die Kenntnis über die Dinge der Natur auch deren spirituelle Bedeutung mitdenken, die auf einem Verständnis des Universums als untrennbare Einheit beruhen. Auf der anderen Seite die westliche wissenschaftliche Methode, die Klassifizierungen und Taxonomien vornimmt und dann von einzelnen Fachdisziplinen Ergebnisse über objektive Verfahren anwendet.
In der Ausstellung Die Intelligenz der Pflanzen sind zwei Zeichnungen von Don Abel zu sehen: Bosque Vega (der Wald Vega) und El árbol de la vida y la abundancia (Der Baum des Lebens und der Fülle). Die erste Zeichnung ist Teil einer Reihe, die ein Waldgebiet im Wechsel der Jahreszeiten beschreibt. Die zweite Arbeit erzählt den Entstehungsmythos der Nonuya-Gemeinschaft. Der Mythos ist nicht nur eine Geschichte. Er wird zur übergeordneten Erklärung wie die Menschen im Amazonasgebiet ansiedelten, wie sie sich in das natürliche System einfügten und wie sich menschliche Gemeinschaften organisieren, bis hin zum Anbau der Pflanzen und der Heilung von Krankheiten. Wurzeln, Zweige, Blüten, Früchte und Samen besitzen alle eine spirituelle Bedeutung. Der Mythos vom Baum des Lebens überliefert die Zusammenhänge der Baumgemeinschaft im Verbund des Waldes, aber auch die Beschaffenheit des Baumes. Jede indigene Gemeinschaft im Amazonasgebiet gibt ihre eigene Auffassung des Entstehungsmythos weiter, in der die Ordnung aller Lebensgemeinschaften und somit des gesamten ökologischen Systems als eine zusammenhängende Schöpfung gesehen wird, die sich von der Idee des Urbaums ableitet.
Don Abel erzählt die Geschichte der Nonuya Gemeinschaft über den Ursprung ihrer natürlichen Nahrung, über ihr traditionelles Verständnis einer behutsamen Waldbewirtschaftung und somit der Ernährungssicherheit für alle. Don Abels Zeugnis seines kulturellen Erbes wird zum Appell der Achtung der Naturgesetze und der Koexistenz der Spezies. Rituale dienen als Bindeglied zwischen Mensch und Natur in einer spirituellen Idee von Welt. Der Nonuya Gemeinschaft ist jede Pflanze heilig, besonders aber Yucca, Koka und Tabak, die Körper und Seele verbinden, in der gleichen Art und Weise wie der Baum des Lebens alles umfasst und verbindet. Don Abels Gedächtnis ist nicht nur ein Archiv für botanisches Wissen, sondern auch spiritueller Glaubenssysteme, die zu verschwinden drohen.
Der Frankfurter Kunstverein hat den kolumbianischen Regisseur Simon Hernandez beauftragt, die Erstellung des Werks El árbol de la vida y la abundancia in einem Videoportrait zu dokumentieren. Der Kurzfilm will Don Abel eine Stimme geben, die zu der seiner gesamten kulturellen Gemeinschaft wird. Durch das Videodokument können wir Teil haben an der kulturellen Überlieferung der Nonuya Geschichte und Weltanschauung, die Don Abel somit in die Welt trägt.
Zusätzlich zeigt die Ausstellung die filmische Arbeit des kolumbianischen Künstlers Fernando Arias. Der Film mit dem Titel ABEL entstand 2014 in Kolumbien und bannt in poetischen Bildern und Erzählungen den Amazonas für die Nachwelt.
Durch das Zeugnis, das Don Abel weitergibt, hält er die Weltsicht am Leben, die unserer industrialisierten Gesellschaft widerspricht, und nach der wir uns vielleicht sehnen; eine Weisheit, die die Beziehung zu Erde und Kosmos anders erklärt und in der ein Gleichgewicht das Fundament für das Leben aller bildet, das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen.
Abel Rodríguez (*ca. 1941, Cahuinarí, Putumayo, CO) wurde in der Nonuya Gemeinschaft im Amazonasbecken als Mogaje Guihu geboren und änderte seinen Namen nach der Vertreibung seiner Familie aus dem Chorrera Gebiet nach Bogotá (CO), wo er heute noch lebt und arbeitet. Seine malerische Arbeit fing in den 1980er Jahren als Kollaboration mit der NGO Tropenbos an. Heute werden seine Werke dank der Arbeit von Wissenschaftler*innen, zeitgenössischen Künstler*innen und Kurator*innen für die einzigartige Vision von Welt geschätzt, die sie nicht nur über den Amazonas, sondern auch über die menschliche Existenz vermitteln. Seine Werke wurden u.a. in folgenden Institutionen gezeigt: Museum der Kulturen, Basel (CH), Triennale di Milano, Milan (IT), Baltic Centre for Contemporary Art, Gateshead (GB), Documenta, Kassel (DE) und Athen (GR), DePaul Art Museum, Chicago (US), National Gallery of Canada, Ottawa (CA), Art Museum of the Americas, Washington (US). 2022 werden seine Arbeiten auf der Biennale of Sydney (AU) und der Toronto Biennal of Art, Toronto (CA) gezeigt.