Eric van Hove
Mahjouba, 2016

Mahjouba I, 2016
Mischtechnik, 15 Materialien, darunter weißes Zedernholz aus dem Mittleren Atlas, gelbes und rotes Kupfer, verkupferter Schmiedestahl, recyceltes Aluminium, Neusilber, Zinn, Kuh- und Kamelknochen, Gummi, Kuhhaut, Batterien, Plastik, Magnete, Harz
200 x 70 x 113 cm, 119 kg
Courtesy der Künstler

Mahjouba leitet sich vom arabischen Begriff „Mahjoub“ ab, der übersetzt „der Schleier, der das Heilige verdeckt“ bedeutet. Die Technologie des vereinfachten Elektromotors des Motoradprototyps entwickelte Eric van Hove in Zusammenarbeit mit dem Institut für Ingenieurstechnologie und dem Institut für Kommunikation des Dartmouth College in den Vereinigten Staaten. Van Hove setzte explizit den Elektromotor als Verweis auf die nationale Zielsetzung Marokkos ein, ab 2020 mit der weltweit größten Solaranlage 42 % der Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien zu bestreiten.

Das Design des ersten Modells basierte auf einer marokkanischen Kopie einer chinesischen Replik des Mate T50 – ein aus den 1970er Jahren stammendes japanisches Motorrad. Eric van Hove nutzte die Strategie der Aneignung und Verwandlung von Industrieprodukten im globalen Waren- und Produktionsprozess. Mit diesem Werk jedoch überschritt er seine bisherige künstlerische Praxis und erweiterte die Skulptur um den Aspekt der Funktion. Eric van Hove nahm Bezug auf das kunsthistorische Konzept des Ready-Mades, kodierte die Skulptur jedoch zu einem nutzbaren Alltagsgegenstand um. So sollte die Skulptur im gesellschaftlichen Realraum wirksam werden, ohne jedoch ihre Legitimität als Kunstobjekt zu verlieren. Der Künstler erkannte das Potenzial der Mahjouba I, sich über den künstlerischen Anspruch hinaus zu einem Projekt lokalen Wirtschaftens und solidarischer Ökonomie entwickeln zu können. Van Hove erweiterte das Kunstwerk um die Möglichkeit ein Nutzungsgegenstand zu werden, der in größerer Anzahl von lokalen Handwerkern gefertigt und zu einer Relokalisierung von Arbeit beitragen könne.

Mahjouba II, 2016
Mischtechnik, 10 Materialien, darunter verchromter Stahl, Neusilber, gelbes Kupfer, Schrauben, Gummi, Kuhhaut, Plastik, Elektronik, elektrisch betriebener Golden Motor (5 KW), Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4)-Batterien.
150 x 75 x 100 cm
Courtesy der Künstler

In der Ausstellung im Frankfurter Kunstverein wurde ein nicht fertiger Prototyp des zweiten Motorradprojektes van Hoves weiterentwickelt. Über fast vier Monate hinweg kooperierte das Team van Hove mit Frankfurter Initiativen, die von Franziska Nori als Teil des Atelierprojektes eingeladen worden waren. Die Einzelkomponenten der Mahjouba II  bestanden vorrangig aus verchromtem Stahl und Neusilber, um dem Motorrad besondere Stabilität zu verleihen. Die Antriebstechnologie vereinte Teile eines Caterpillar Getriebes mit Elementen vom Wendegetriebe eines chinesischen Lastendreirads. Mahjouba II wurde über einen elektrischen Golden Motor mit 5 KW sowie mit vier Lithium-Eisenphosphat-Batterien angetrieben. Die Produktion dieses zweiten Motorrad-Prototyps basierte zu 70 % auf handwerklicher Fertigung des Atelierteams und zu 30 % auf bereits bestehenden industriellen Komponenten. Das Kraftrad solle in der nächsten Entwicklungsstufe Einzelelemente enthalten, die mit 3D-Druckern hergestellt werden sollten. Verglichen mit dem ersten Prototyp war die Form von Mahjouba II vereinfacht, die Materialien weniger speziell und das Design auf lokale Anforderungen ausgerichtet. So sollten zum Beispiel mehrere Personen gleichzeitig Platz nehmen können, was in den Straßen Marokkos oft der Fall ist. Van Hove sah in seinem Kunstwerk das Potenzial der Nutzung als reales Fahrzeug, das von Interessenten reproduziert und weiterentwickelt werden kann.

Mahjouba, 2016
Film
Creative Director Meriem Abid
Courtesy der Künstler

Der Film Mahjouba, der eigens für die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein produziert wurde, gibt Aufschluss über den sozio-politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontext des Mahjouba I Prototyps. Der erste Teil des Films gewährt Einblicke in das Atelier van Hove in Marrakesch. Dabei stehen der gemeinschaftliche Arbeitsprozess und die Handwerker im Fokus, die gemeinsam mit dem Künstler an dem Projekt arbeiten. Ihre Lebensgeschichten werden fiktional nachgestellt und bilden einen der Erzählstränge des Films. Der zweite Teil des Films zeigt die Fahrt der Mahjouba I durch Marokko. Die Reise von Marrakesch bis hin zum nördlichen Tanger führt durch die vielfältige Sprachen- und Kulturlandschaft des Landes. Die Begegnungen mit der Bevölkerung geben den Menschen Raum, ihre Gedanken über die Zukunft des Handwerks und über das Potential lokal produzierter. elektrischer Fahrzeuge zu äußern.