Isabell Ratzinger

And This is the Rest, 2021
Ortsspezifische Intervention
Auf das Pflaster vor dem Frankfurter Kunstverein gespuckte und festgetretene Kaugummis der Marke Extra Professional White
Größe variabel

And This is the Rest. Die Streber oder die Strolche, 2021
Rauminstallation
Bank beklebt mit Kaugummistreifen der Marke Extra Professional White
Reflektoren aus Aluminium-Kaugummipapieren der Marke Extra Professional White
Waffen aus gefundenen Materialien und Kaugummi der Marke Extra Professional White
Wände des Frankfurter Kunstvereins beschossen mit Spuckkügelchen aus zerkautem Kaugummipapier Extra Professional White
Verpackungsmaterial, Batterie, verbranntes Papier
Größe variabel

Courtesy the artist

Isabell Ratzingers Arbeiten finden ihren Ausgangspunkt häufig in der Gegebenheit des vorgefundenen Ortes und dessen Funktion. Für And This is Us 2021 – Junge Kunst aus Frankfurt dient der Titel der Ausstellungsreihe der Künstlerin als Vorlage, um das institutionelle Format der kuratierten Auswahl junger Künstler*innen zu einem erweiterten, erzählerischen Szenario auszuarbeiten.

And This is Us – Und Das sind Wir – kehrt die Künstlerin um und fragt, wer dann The Rest sei. Die Installation Ratzingers findet an zwei Orten des Ausstellungsparcours statt: im öffentlichen Raum, unmittelbar vor dem Eingang des Frankfurter Kunstvereins, und im oberen Geschoss der Räumlichkeiten. Auf dem Boden unmittelbar vor dem Eingang bringt die Künstlerin zahlreiche gekaute Kaugummis an, die die Worte And This is The Rest formieren und beim Eintreten der Besucher*innen der Zersetzung preisgegeben werden. Kaugummi ist der Werkstoff, aus dem Ratzinger eine räumliche Inszenierung baut, und dem sie eine übertragene Bedeutung zumisst, die der Jugendkultur angehört und die für eine passive Form der Rebellion steht.

Isabell Ratzinger konstruiert einen Raum, in dem alle vorhandenen Elemente aus allen verschiedenen Komponenten des Extra Professional White Kaugummis gefertigt wurden. Aus der Kartonverpackung baut sie Pfeiler, auf denen sie Reflektoren positioniert, die wiederum aus dem Aluminiumpapier des Produktes produziert wurden und die eintretenden Besucher*innen blenden sollen. Die unverpackten Kaugummistreifen, mit Rußspuren einer Verbrennung versehen, dienen ihr zur Verkleidung einer Sitzbank. An den Wänden angelehnt stehen funktionsfähige Waffen, Armbrüste und Bögen, die nach online Anleitungen aus Versatzstücken ehemaliger Haushaltsgeräte gefertigt wurden.

Zentrales Element der Installation sind menschliche Silhouetten zweier gegenüberstehenden Gruppen. Die Formen entstehen durch Aussparungen vom Auftrag zahlloser zerkauter Kaugummipapier-Kügelchen. Abwesenheit bestimmt den räumlichen Aufbau. Denn die Betrachter*innen begegnen Spuren einer stattgefundenen Aktion. Zwei erdachte Gruppen stehen sich fiktional im Raum gegenüber. Die erzählerische Absicht Ratzingers suggeriert, dass hier The Rest sein Unwesen getrieben hat und der Raum Spuren ihrer verbrachten Zeit in spielerischem und leistungsbefreitem Zusammensein trägt.

Isabell Ratzinger ist Teil eines umfassenden Netzwerks junger Frankfurter und Offenbacher Künstler*innen, mit denen sie in wechselnden Konstellationen temporäre Projekte verwirklicht. So hat die Künstlerin zahlreiche Kommiliton*innen und Kolleg*innen an der Produktion ihrer Installation beteiligt, um ihre Vorstellung einer anonymen Gruppe nicht präsenter Nachwuchskünstler*innen auf die Ausstellungswände zu zeichnen. Der von der Künstlerin konzeptionell gewählte Akt des Spuckens beiläufig zerkauten Papiers steht für eine von ihr behauptete aufsässige Haltung. Ratzinger konstruiert einen kontrollierten Akt der Provokation, der sich an der Idee vom White Cube als Ausstellungsraum reibt. Das gewählte Arbeitsmaterial verweist durch seinen Namen Extra Professional White auf ebendiesen institutionellen Raum. Die Künstlerin reiht sich ein in die Tradition der Institutionskritik, die die Bedingungen des Ausstellens, von Arbeit in Kunstinstitutionen, die Funktionsweise vom Kunstsystem an sich, die Schaffung wirtschaftlicher Verwertung von Kunst sowie das Verhältnis von Kunst zu ihren Rezipient*innen untersucht.

Isabell Ratzinger (*1996, Mainz, DE) lebt und arbeitet in Offenbach am Main (DE). Seit 2015 studiert sie an der Hochschule für Gestaltung Offenbach (DE). Zuvor studierte sie Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (DE). Ihre Installationen und räumlichen Interventionen hat sie u.a. in folgenden Institutionen ausgestellt: Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt am Main (DE), Kunstverein Familie Montez, Frankfurt am Main (DE), Magma Maria, Offenbach am Main (DE), 1822-Forum, Stiftung der Frankfurter Sparkasse, Frankfurt am Main (DE), Kunstforum der TU Darmstadt, Darmstadt (DE), Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden (DE), Zollamt Studios, Offenbach am Main (DE).