Jaakko Pallasvuo – Soft Body Goal
2017
Video, 03:36 min
Courtesy the artist
Jaakko Pallasvuo (*1987) verknüpft in seinen Arbeiten vielfältige visuelle und narrative Formen. Thematisch umfasst sein Werk unter anderem die Reflexion der künstlerischen Tätigkeit und die Auseinandersetzung mit Phänomenen wie Angst, Tristesse und Fortschrittsglaube.
Bei der Videoarbeit „Soft Body Goal“ handelt es sich um eine computergenerierte Animation. In Programmen zur Generierung von 3D-Welten bezeichnet „Soft Body“ biegsame und flexibel verformbare Figuren, die sich durch simulierte physikalische Einwirkungen wie Gravitation, Wind oder Kollisionen verändern lassen.
Zentrales Element der Arbeit ist eine Stimme, die als Ich-Erzähler der Bildwelt Gedanken in einer zweiten Bedeutungsebene hinzufügt. Wir folgen einem inneren Monolog, Überlegungen zur Körperlichkeit in einer Realität, die nicht mehr analog, sondern digital geworden ist. Der gesprochene Text lässt erahnen, dass es sich um eine Zeit nach der Zerstörung des Planeten handelt. Die physischen Körper wurden durch virtuelle ersetzt, die nicht an die Grenzen einer leiblichen Identität gebunden sind, sondern eine Vielzahl an Möglichkeiten im virtuellen Raum erhalten. Die Arbeit kann auch vor dem Hintergrund des Transhumanismus gelesen werden, der für die Erweiterung der menschlichen Biologie durch Technik steht. Die Stimme in Pallasvuos Film verweist auf die Szenarien einer Trennung der geistigen von der körperlichen Existenz.
Andererseits folgen wir der Stimme zu Gedanken über die Beschränkung eigener Handlungsspielräume. Wenn in der realen Welt Handeln unmöglich erscheint, wird ein Ausweichen in digitale Welten gesucht. Das Gestalten in Softwarewelten bleibt eine Handlungsoption. Im Vordergrund steht das Aneignen neuer Skills, um der Ziellosigkeit des Tuns zu entkommen. Es bleibt keine Zeit zur Reflexion dessen, was man tut und wozu man es tut.
In „Soft Body Goals“ zerfließt die menschliche Figur in ständig neue Formen mit veränderten Oberflächen. Die Figur wird vervielfältigt, verzerrt und immer wieder entstehen Kopien identischer Körper. Die Veränderung ist permanent im Gang, die Identität unfertig und offen. Der digitale Prozess der Umformulierung steht im Mittelpunkt. So wie beim Begriff der „Liquid Modernity“ von Zygmunt Baumann, der die moderne Gesellschaft als durch einen ständigen und immer schneller vor sich gehenden Wandel, beschreibt. Bauman reflektiert, wie wir uns von einer „schweren“, auf Hardware basierte Moderne zu einer „leichten“ und „flüssigen“, softwarebasierten Epoche entwickelt haben. Dieser grundlegende Wandel hat eine tiefgreifende Veränderung im existentiellen Selbstgefühl des Menschen ausgelöst. Die Formen des modernen Lebens mögen sich in mancherlei Hinsicht unterscheiden – aber was sie alle verbindet, ist ihre Zerbrechlichkeit, Vorläufigkeit, Verwundbarkeit und Neigung zu ständigem Wandel. Modern zu sein bedeutet, flexibel und veränderbar, unfertig zu bleiben, im ständigen Fluss von einer Form in die nächste.