Jakob Kudsk Steensen – Primal Tourism

2016
Video- und Rauminstallation, 22:41 min / VR-Anwendung
Courtesy the artist

Jakob Kudsk Steensens (*1987) multimediale Arbeit „Primal Tourism“ bietet eine kritische Auseinandersetzung mit der menschlichen Eigenschaft, im ständigen Widerspruch zwischen Phantasie und Realität, Wunsch und Wirklichkeit zu leben.

Steensens Arbeitsmethoden sind beispielhaft für unsere Fähigkeiten des Machens: die Welt wird mit Technologien wie Satelliten und Kameras vermessen und greifbar gemacht. Diese Daten aus verschiedensten Quellen werden vereint um neue Welten zu generieren.

In der Arbeit „Primal Tourism“ modellierte Jakob Kudsk Steensen in einer Computerspiel-Entwicklungsumgebung eine Replik der Insel Bora Bora, die an der VR-Station im Maßstab 1:1 erkundet werden kann. Die Form der Insel basiert auf Satellitenaufnahmen. Für die Gestaltung der begehbaren Landschaft auf der Insel verwendete er Urlaubsfotos, die online geteilt wurden. Darüber hinaus integrierte er Zeichnungen und Notizen des niederländischen Seefahrers und Forschungsreisenden Jacob Roggeveen, der 1722 im Auftrag der Niederländischen Westindienkompanie eine Handelsroute zu den Molukken im Osten Indonesiens erschließen sollte und dabei auf Bora Bora stieß.

„Primal Tourism“ besteht aus einer begehbaren Hütte, in deren Inneren BesucherInnen durch die VR-Technologie die digitale Replik Bora-Boras erkunden können. Die VR-Arbeit erlaubt es BetrachterInnen die Perspektive unterschiedlicher Lebewesen einzunehmen – vom Mensch, über die Schlange, zum Wildhund, einem Insekt oder Fisch bis hin zur Drohne. Damit thematisiert Steensen die anthropozentrische Sichtweise auf Welt und gleichzeitig visualisiert er die Auswirkungen menschlicher Eingriffe auf die Umwelt.

Als Szenerie der Installation ergänzt Steensen das Video „Primal Tourism: Walk-through“. Der Begriff „Walk-through“ steht im Zusammenhang mit Videospielen für Bildschirmaufnahmen, die das Spiel aus der Perspektive von SpielerInnen zeigen. Diese Videos dienen dazu, Hilfestellung bei einzelnen Passagen des Games zu geben. Über die Guide-Funktion hinaus werden Walkthroughs auch erstellt, um Spielerlebnisse online zu teilen.

Eine Insel ist ein zentrales Symbol unserer Vorstellung von Paradies. Sie steht für einen Sehnsuchtsort, der außerhalb unserer Alltagsrealität, paradiesische Zustände verspricht, er ist abgeschieden und fern. In der gesamten Menschheitsgeschichte bedeutet Reisen das Verlassen der bekannten Welt hin zu unbekannten Orten, zu Abenteuern und Eroberungen, gleichzeitig steht die Fremde auch für das Unbekannte und das Bedrohliche.

In der VR-Experience „Primal Tourism“ begibt man sich auf eine Erkundung der Insel, auf der die ursprüngliche Schönheit der Landschaft mit den Spuren menschlicher Eingriffe durchsetzt ist. Es mehren sich im Laufe der Zeit die Hinweise auf Gefahren. Wasser droht die Insel zu überschwemmen, Bauruinen werden sichtbar. Steensen schafft ein virtuelles Paradies, in dem die Illusion zunehmend erodiert, durch inhaltliche Zeichen und formale Brüche: die Insel erwächst aus einer digitalen Fläche, sodass deren illusionistischer Realitätsanspruch gebrochen wird; wir sehen zweidimensionale Fische, die wie in einer Bildstörung durch ein Plakat hindurch schwimmen können. Das gesamte Paradiesszenario entwickelt sich fortschreitend zu einer dystopischen Umgebung, in der wir gefangen sind.