Julien Prévieux – Where is My (Deep) Mind?

2019
HD Video, 14:59 min
Unterstützt von Fondation des Artistes und Seine-Saint-Denis Department, Lab’Bel und General Pop
Courtesy the artist

Julien Prévieux (*1974) beschäftigt sich mit der Visualisierung und Funktionsweise von KI-Technologien und den Prinzipien des maschinellen Lernens. Im Video „Where Is My (Deep) Mind?“ übersetzt Prévieux nicht sichtbare digitale Prozesse in menschliche Aktionen, die performativ ausgeführt werden.

In der Regel finden diese Prozesse in physisch kaum zugänglichen neuronalen Netzen statt, über Interfaces werden sie wahrnehmbar. Prévieux verlagert diese Interfaces nun in einen physischen, an ein Labor oder Testgelände angelehnten Raum, bespielt von vier Performern. Die Bewegungsabläufe der Figuren werden wie in der Robotik auf Stabilität geprüft, indem sie mit diversen Gegenständen aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Neben dem Training von Bewegung stellt Prévieux auch den Prozess des Sprachtrainings von Systemen vor. Die Dialoge der Verhandlungen um Bälle, Bücher und Hüte stammen aus Facebooks KI-Forschungslabor, das 2017 dialogische Versuchsanordnungen erstellte, mit denen Algorithmen Verhandlungsmethoden und Strategien erlernen sollten. Ein weiterer Teil der Trainingsdaten stammt aus Datenbanken mit menschlichen Konversationen, die zum Beispiel durch aufgezeichnete Beratungsgespräche entstanden. Als Grundlage für den Dialog über Glücksspiel diente die Interaktion zweier Chatbots, Eliza und Parry, zwei Computerprogramme, die 1972 in natürlicher Sprache miteinander kommunizierten. Diese maschinellen Systeme waren bereits 1972 entwickelt worden, um Kommunikationsmuster zu üben und im Dialog mit Menschen zu plausiblen Gesprächspartnern zu werden. Das mechanische Verhalten, sowohl in den Körperbewegungen als auch in den Argumentationen, welches bis in eine ausweglose Endlosschleife führt, wird kontrastiert durch die Körpersprache und die Stimme der PerformerInnen.

„Where Is My Mind?“ ist der 1988 entstandene Titel einer amerikanischen Indie Rockband, den Pixies. Er wurde in zahlreichen Filmen wie „Fight Club“, „Trainspotting“ oder der Serie „Mr. Robot“ als Soundtrack verwendet. Der Songtext spielt auf das Gefühl an, in einer Zwischenebene der Wahrnehmung zu sein, ohne Kontrolle über den Geist. Ein Zustand im undefinierten Limbus zwischen Bewusstsein und Rausch, zwischen Traum und Realität. Prévieux erweitert den Titel um das Adjektiv „(deep)“, sodass ein Bezug zum Begriff des Deep Learnings entsteht. Dem Film gelingt wegen der nüchternen Übertragung maschineller Prozesse in performative Handlung eine Verkehrung der Prinzipien von KI ins Absurde. Durch diesen stilistischen Griff gelingt es Prévieux einerseits die Mechanismen des Deep Learnings anschaulich zu machen und darüber hinaus, die in der aktuellen Debatte so mythisierten und zum Teil bedrohlichen Vorstellungen ironisch zu brechen.