Pflanzensoziologisches Institut

Konservierte Esche, 1999
100 x 640 cm
Courtesy Dr. Edith Zewell

Konservierte Löwenzahnwurzel, 1997
400 x 40 cm
Courtesy Dr. Roland Eberwein

Zeichnungen von Dipl.-Ing. Dr. Erwin Lichtenegger

(linke Wand)

Tanne (Abies alba), 1998, 72 x 56 cm
Zuckerrübe (Beta vulgaris), 2003, 62 x 27 cm
Wiesen-Schwingel (Festuca pratensis), 1969, 62 x 39 cm
Kraus-Ampfer (Rumex crispus), 1958, 53 x 30 cm
Acker-Winde (Convolvulus arvensis), 1957, 58 x 12 cm

(rechte Wand)
Fichte (Picea alba), 1998, 83 x 50 cm
Stiel-Eiche (Quercus robus), 1998, 49 x 60 cm
Berberitze (Berberis vulgaris), 1998, 48 x 49 cm
Kopfsalat (Lactuca sativa), Jahr unbekannt, 39 x 54 cm

Courtesy Dr. Hilde Lichtenegger

Zeichnungen und Pflanzenpräparate in der Ausstellung Die Intelligenz der Pflanzen stammen aus der umfassenden Sammlung des Pflanzensoziologischen Instituts (Klagenfurt, AT), das von der Botanikerin Dr. Monika Sobotik geleitet wird. Das österreichische Pflanzensoziologische Institut beschäftigt sich mit pflanzensoziologischen und wurzelökologischen Fragestellungen.

Der Name des Instituts verweist auf die Disziplin der Pflanzensoziologie. Diese ist eine systematische Forschungsmethode der Geobotanik und die Lehre von der Vergesellschaftung der Pflanzenarten. Ein Schwerpunkt der Pflanzensoziologie ist die Untersuchung der Standortbedingungen und der Interaktion zwischen Arten. Der Begriff der Pflanzensoziologie wurde vom Soziologen und Philosoph Bruno Latour auch als Denkmodell verwendet, da sie das Ziel verfolgt, Gesellschaften aus heterogenen Bestandteilen zu beschreiben und zu verstehen, wie diese Naturwissenschaft, so Latour, als Metapher für die Sozialwissenschaften dienen kann.

Seit den 1960er Jahren haben die Forscher*innen des Pflanzensoziologischen Institut, Dipl.-Ing. Dr. Lore Kutschera, Dipl.-Ing. Dr. Erwin Lichtenegger und Dr. Monika Sobotik, systematisch und mit extremer Vorsicht das Wurzelsystem der Pflanzen an ihren natürlichen Standorten freigelegt, fotografiert, dokumentiert, gezeichnet und zum Teil präpariert. Wurzelforschung bedeutet für diese Wissenschaftler*innen die Freilegung von Wurzeln, so wie sie in ihrem natürlichen Umfeld wachsen und auf deren Bedingungen sie individuell reagieren. Lichtenegger zeichnete die freigelegten Wurzeln als maßstabsgetreue Kartierung, weil diese manuelle Methode eine Erfassung gestattet, die die fotografische Aufnahme nicht immer ermöglicht. Die Zeichnungen sind einmalige Instrumente etwas sichtbar zu machen, was ansonsten in seiner Komplexität nicht sichtbar wird. Bis in die feinsten Verzweigungen zeigen die Zeichnungen das Wachstum der Wurzeln, sodass ein anderer Blick und ein Bewusstsein über die Dimension des Teils der Pflanze begreifbar wird, der nicht von der Ansicht der Pflanzen oberhalb der Bodenoberfläche abzuleiten ist.

Heute erkennen Forscher*innen disziplinenübergreifend, welche zentrale Rolle und essentielle Leistung Pflanzen für das Leben auf dem Planeten haben und dass ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Arten und geografische Bedingungen erst Biodiversität möglich machen. Die Leistung der Pflanzen besteht unter anderem auch darin, über ihren Stoffwechsel Elemente aus der Luft in die Tiefe des Bodens zu transportieren. Umgekehrt geben sie Wasser und Sauerstoff sowie zahlreiche heute erst ansatzweise erforschte Botenstoffe in die Luft ab, die Teil der Atmosphäre werden, die Auswirkungen auf die Physiologie von Tieren und Menschen haben. Die fruchtbare, oberste Humusschicht entsteht nur durch das Zusammenleben und den Stoffwechsel von unzähligen Mikroorganismen, die im Verbund mit Pflanzen und deren Wurzeln ein lebendiges Substrat schaffen.

Der mineralische Boden wird durch ein verzweigtes Netz von Wurzeln stabil gehalten, sodass Bodenerosion durch Wasser, Wind und Erdbewegungen entgegengewirkt wird. Gleichzeitig lockern Wurzeln Böden und tragen wesentlich dazu bei, dass Humus gebildet wird. In Symbiose mit Pilzen und Bakterien entsteht somit ein komplexes Zusammenspiel zwischen organischen und anorganischen Materialien und Lebewesen, dessen Funktionen aktuell immer mehr erforscht und als existentiell für den Fortbestand aller Arten auf der Erde erkannt werden.

Mit seiner Arbeit hat das österreichische Pflanzensoziologische Institut die Grundlage für wurzelökologische Fragestellungen geschaffen. Die Sichtbarmachung des Raumes unterhalb der Bodenoberfläche hat altes Wissen über Pflanzengesellschaften strukturell geordnet. Der Forschung liegt das Ziel zugrunde, dass durch die Beobachtung der Wurzelsysteme und der dazugehörigen Böden nicht nur die einzelne Pflanze, sondern deren Zusammenspiel im Verbund ganzer Pflanzengesellschaften verstanden werden muss. Die Forschung entstand mit dem Verständnis um die Wichtigkeit von Pflanzenvielfalt für fruchtbare Böden und einem hohen Aufkommen von Mikroorganismen, mit denen die Pflanzen im Verband leben.

Im Frankfurter Kunstverein werden eine präparierte Esche (freigelegt durch Dieter Haas und Dipl.-Ing. Dr. Erwin Lichtenegger) mit ihrem weiträumigen Wurzelwerk, ein präparierter Winterlöwenzahn mit seiner über vier Meter langen Wurzel sowie Originalzeichnungen mit Abbildungen von kartierten Wurzeln von mitteleuropäischen Wild- und Nutzpflanzen gezeigt.