Yunchul Kim

Self_portrait.jpg, 2003
Tusche auf Papier
77,5 x 130 cm
Courtesy of Anthony Moore

Yunchul Kims Zeichnung Self_portrait.jpg besteht aus 58.806 Textzeichen, die handschriftlich mit Tinte auf feines weißes Japanpapier geschrieben wurden. Die Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen (ASCII-Code) zeigen ein Bild im jpg-Format. JPEG ist eine ISO-Norm, welche verschiedene Komprimierungs- und Kodierungsmethoden für Bilder beschreibt. Dabei werden einzelne Bildinformationen gelöscht, um die Dateigröße zu reduzieren. Bei einer geringen Kompression nimmt das menschliche Auge den Verlust nicht wahr, bei einer großen Kompression hingegen wird der Informationsverlust erkennbar. Würden die komprimierten Zeichen von einem Computer gelesen, würden sie das Selbstportrait des Künstlers sichtbar machen.

Menschen und Maschinen nehmen nicht die gleiche Qualität an Informationen wahr. Beide erkennen diese zwar, formulieren aber unterschiedlich Bedeutung daraus. Die jpg-Datei von Kims Portrait existiert in der maschinellen Wahrnehmung nicht als Bild, sondern als binäre Zahlenreihung von Einsen und Nullen. Sämtliche Sinneseindrücke werden auch im menschlichen Gehirn in Frequenzen elektrochemischer Impulse transformiert – unabhängig davon, ob das Phänomen ein Bild, ein Klang oder eine andere Sinneswahrnehmung ist (undifferenzierte Codierung). Sie werden codiert und komprimiert und in Moleküle verwandelt, um als Gedächtnis im Gehirn gespeichert zu werden. Gibt es eine Analogie zwischen der Speichermethode des menschlichen Gehirns und der eines maschinellen Systems, da beide physikalische Impressionen in speicherbare Informationen umwandeln? Handelt es sich damit bei dem hier vorliegenden Selbstportrait auch um einen Versuch, ein Selbstportrait auf der Ebene der zerebralen Repräsentation des eigenen Bildes zu zeigen?

Der in Berlin und Seoul lebenden Medienkünstler und Komponist Yunchul Kim (*1970) studierte elektronische Musik an der Chugye University for the Arts, Seoul (KR) und Audiovisual Art an der Kunsthochschule für Medien in Köln (DE). Seine Arbeiten wurden unter anderem auf der Ars Electronica in Linz (AT), der Transmediale, Berlin (DE) dem New York Digital Salon (US) und VIDA in Madrid (ES) gezeigt.