Zoo Frankfurt

Exponat erarbeitet von Dr. Johannes Köhler

Atta-Blattschneiderameisenkolonie
System aus Röhren und Kuben mit Ameisen, Nahrungskammern, Abfallkammern
Verschiedene Größen
Courtesy Dr. Johannes Köhler, Zoo Frankfurt

Dank der Kooperation mit dem Zoo Frankfurt präsentiert der Frankfurter Kunstverein eine Atta-Blattschneiderameisenkolonie, die über die Dauer der Ausstellung in den Ausstellungsräumen lebt. Unter der Leitung des Kurators Dr. Johannes Köhler hat der Frankfurter Zoo das Ameisenvolk in gläsernen Kunstbauten herangezogen, sodass Besucher:innen das komplexe, ansonsten unterhalb der Erde stattfindende Leben der Tiere aus der Nähe betrachten können. Blattschneiderameisen sind in den tropischen Regenwäldern Mittel- und Südamerikas beheimatet. Sie leben in einer komplexen und doch extrem effizienten Symbiose mit Pilzen. Die Lebensgemeinschaft ermöglicht es beiden Arten, ihre Lebensfunktionen gegenseitig zu unterstützen oder sogar erst zu ermöglichen. Die Symbiose ist dabei so eng, dass die beiden Arten nicht mehr ohne einander existieren können. Die Atta-Blattschneiderameisen sind eine von mehreren Ameisen-Gattungen, die diesen Lebensstil entwickelt haben.

Ameisen sind ein essenzieller Teil funktionierender Ökosysteme. Sie züchten andere Insekten (Ko-Existenz), ernähren sich unter anderem von ihnen (Eindämmung von Schädlingen), sie verbreiten Pflanzensamen, entsorgen verstorbene Lebewesen und lockern Böden mit ihren komplexen Bauten auf. Sie tragen große Mengen von Nährstoffen in tiefere Bodenschichten, wodurch diese fruchtbarer werden. Ameisen verwerten große Mengen von Grünpflanzen, sodass der Nährstoffkreislauf intakt bleibt und ein wachstumsfördernder Einfluss auf die Vegetation entsteht.

SYMBIOSE
In kollektiver Arbeit zerschneiden die großen Blattschneider-Arbeiterinnen mit ihren Mundwerkzeugen Pflanzen in kleinere Stücke und bringen diese in ihren Bau. In speziellen Kammern züchten die Ameisen sogenannte „Pilzgärten“ oder „Pilzfarmen“. Die kleinen Arbeiterinnen in diesen Kammern kauen die Blätter zu einer breiigen Masse, die als Nährboden für die Pilze dient. Sie tasten die Oberfläche des Pilzgeflechts sorgfältig ab und reinigen es von Sporen und Pilzfäden anderer Schimmelpilzarten. Immer wieder pflücken sie kleine Stücke aus der Pilzstruktur heraus, um sie ihren Artgenossinnen als Nahrung zu bringen. Sie setzen auch neue Pilzfäden auf frisches Pflanzenmaterial, um weitere Kulturen heranzuziehen. Die Ameisen düngen den Pilz mit Abfallprodukten und ihrem Kot. Die von den Ameisen gesammelten, schwer verdaulichen Pflanzeninhaltsstoffe werden vom Pilzmyzel durchwurzelt und zersetzt und so in ein für die Ameisen verdauliches Substrat umgewandelt. Studien deuten darauf hin, dass die Ameisen Bakterien auf ihrem Körper tragen, die nicht nur das Wachstum schädlicher Pilze hemmen, sondern auch den Nährpilz düngen.

Im Gegenzug bildet der Pilz an seinen Enden eiweißreiche Knoten, die den Ameisen Proteine spenden, um ihre Larven zu füttern. Zusätzlich schlüsseln die Pilze die Cellulose der Pflanzen so auf, dass sie von den Ameisen verwertet werden kann. Der Pilz hat die Fähigkeit, Gifte abzubauen, die für Ameisen schädlich sind. Das Wachstum des Pilzes hängt direkt von der Nahrungsversorgung und der Anzahl der Arbeiterinnen ab, die sich um ihn kümmern. Die Größe der Ameisengemeinschaft wiederum verhält sich proportional zur Größe des Myzels. Die Königin sorgt mit der Anzahl der von ihr abgelegten Larven dafür, dass die Population im Bau im Verhältnis zur verfügbaren Nahrungsmenge steht.

ARCHITEKTUR DER AMEISENNESTER
Blattschneiderameisen bauen unterirdische Nester, die aus einem komplexen Netzwerk von Tunneln und Kammern bestehen. Nester können unterirdisch bis zu 70 Quadratmeter Fläche umfassen und mehrere Millionen Ameisen beherbergen. Die verschiedenen Kammern erfüllen dabei spezialisierte Funktionen, die wichtig für das Überleben der Population sind.

Die Pilzkammern sind die zentralen Räume der Nester. In Abfallkammern entsorgen Ameisen die Pflanzenreste aus der Pilzkammer. Die Ameisenkönigin legt ihre Eier in den Brutkammern ab, in denen auch die Larven und Puppen aufgezogen werden. Umsorgt wird die Brut von den Arbeiterinnen. Neben den Pilzen lagern die Ameisen auch Nahrungsreserven in speziellen Vorratskammern. Die Vorräte bestehen aus Pilzen, aber auch Blättern, Blumen, Samen und Tierresten. Jedes Volk baut sein Nest ganz individuell. Die Ameisen reagieren auf Veränderungen ihres Umfeldes und auf äußere Bedingungen mit der Anpassung der Nestarchitektur. Welche Korrelationen hier eine Rolle spielen, ist noch nicht gänzlich erforscht. Wie unterschiedlich Ameisennester sein können, zeigt die Arbeit von Professor Dr. Walter R. Tschinkel.

DIE VIELFALT DER AMEISENPOPULATION – EINE SCHWARMINTELLIGENZ
Blattschneiderameisen funktionieren wie alle Ameisenarten als Schwarmintelligenz. Jedes Individuum ist Träger einer beschränkten Zahl von Informationen. Durch koordinierte Interaktionen und Kommunikation entstehen effiziente Lösungen für komplexe Aufgaben, durch kollektive Intelligenz ohne eine zentrale Instanz. Die Ameisenpopulation funktioniert durch ein komplexes, emergentes System aus einzelnen Individuen, die nur über lokale Informationen verfügen. Ameisen haben keine Kenntnisse über den Gesamtzustand der Gemeinschaft, funktionieren aber durch soziale Koordinationsmechanismen. So entstehen Ameisenstraßen dadurch, dass einzelne Ameisen bei ihrer Suche nach Nahrung eine Pheromonspur hinterlassen. Benutzt eine Ameise den gleichen Weg mehrmals, verstärkt sich diese Spur.

AUFBAU DES STAATES
Königinnen sind die reproduktiven Weibchen in der Population. Sie sind deutlich größer als die anderen Artgenossinnen und haben nur die Aufgabe, Eier zu legen. Die Ameisengemeinschaft hat normalerweise nur eine Königin, nur in Ausnahmefällen mehrere. Die Königinnen sind die einzigen weiblichen Ameisen, die Eier legen können. Königinnen und Männchen sind die einzigen Mitglieder der Population, die fliegen können. Dies ist in der Paarungszeit wichtig und um neue Gemeinschaften zu gründen.

Die Hauptfunktion männlicher Ameisen besteht darin, die Königinnen während des Hochzeitsfluges zu befruchten. Die Männchen sind kleiner als die Arbeiterinnen und haben meistens nur eine kurze Lebensdauer. Wenn sie ihre reproduktive Aufgabe erfüllt haben, sterben sie.

Arbeiterinnen sind nicht reproduktive Weibchen. Sie können in verschiedene Kasten unterteilt sein und mit unterschiedlichen Körpergrößen innerhalb einer Population vorkommen. Sie bilden die große Mehrheit des Volkes und sind für das Sammeln von Blättern, das Versorgen der Königin und der Brut, die Pflege der Pilzkulturen und die Verteidigung der Gemeinschaft zuständig.