Daniel Pflumm / Josef Robakowski
14.10.2000 — 19.11.2000
Daniel Pflumm: FreeCustomer.com Bilder
Daniel Pflumm (*1968) zeigte in seiner Ausstellung im Frankfurter Kunstverein neue Videoarbeiten und Installationen. Der Berliner Künstler, der in den frühen Neunzigern den Club „Elektro“ gründete und später das gleichnamige Musik-Label, operiert mit den Logos und Trademarks multinationaler Konzerne, die er auf ihren abstrakten Zeichencharakter reduziert. Parallel dazu entwirft er eigene Logos und Corporate Identities. So entstehen Grafik, Layout und Merchandising für Unternehmen, die es gar nicht gibt bzw. deren Existenz im Kunstkontext als fiktive Firmenstrategie erscheint. Die glatte Ästhetik seiner Entwürfe misst sich dabei an den Maßstäben moderner Werbestrategien und Produktvermarktung. Sie nähert sich der Erwartungen gegenüber zeitgenössischer Produktästhetik an, um in ihrer Affirmation diese Erwartungen letztlich subversiv zu unterlaufen. Denn obschon Pflumms Arbeiten sich gegenüber der Eleganz moderner Warenästhetik ambivalent verhalten und die Faszination für das Produktdesign nicht verbergen, laufen gängige Erwartungshaltungen angesichts des einheitlichen Erscheinungsbildes seiner Produkte ins Leere. Pflumms Leuchtkästen zitieren Produkt-Logos, ohne sie tatsächlich zu imitieren, denn der Namenszug der Firmen fehlt. Seine Video-Loops sampeln Werbespots, die sie zur stereotypen Produktpräsentation abstrahieren. Andere am Computer produzierten Videoarbeiten verbinden im Internet gefundene Bilder und Sequenzen mit Fragmenten aus TV-Werbespots und selbst gedrehtem Filmmaterial. Zu minimalistischen Loops montiert, ergibt sich so ein repetetiver Bilderfluss, der elementare Motive der globalisierten Warenzirkulation kompiliert.
Józef Robakowski: View from my Window Bilder
Józef Robakowski (*1939) zählt zu den bekanntesten Vertretern der zeitgenössischen polnischen Kunst. Als Mitbegründer der experimentellen Workshop-Gruppe an der Filmakademie Lodz beschäftigt sich Robakowski, der auch in als Maler, Fotograf und Filmtheoretiker arbeitet, seit den frühen 70er Jahren mit Film und Video. Ausgehend von einer Auseinandersetzung mit dem Medium Film als solchem, insbesondere seiner Interaktion mit dem Zuschauer und dispositiven Struktur, thematisieren seine frühen, von Dadaismus und Konstruktivismus beinflussten Filme vor allem die (sozialistische) Alltagsästhetik. Diese beschreiben sie durch performative Selbstanalyse in überzeichneter Manier. Zahlreiche Filme entstanden aus dem eingeschränkten Radius von Robakowskis Wohnung im 9. Stock eines Neubauviertels heraus und damit einer Perspektive, die die Menschen auf der Straße zur miniaturisierten Masse reduziert. Der über zwanzig Jahre hinweg entstandene Film „View from my Window“ (1978-91) beispielsweise unterwirft in lakonisch konstatierender Weise die Veränderungen vor dem Küchenfenster dem beobachtenden Blick. Ausgehend vom sozialistischen Alltag in dem „Manhattan“ genannten Wohnviertel über die postkommunistische Aufbruchstimmung bis zu den kapitalistischen Veränderungen des urbanen Raums, zeigt Robakowski im Zeitraffer den radikalen gesellschaftlichen Umbruch entlang der ihn umgebenden Soziostruktur.
In der Zeit des Kriegsrechts, das 1981 verhängt wurde, verlagerte Robakowski seine Beobachtung auf die mediale Repräsentation des Alltags im Fernsehen. TV-Bilder lieferten das Material eines „persönlichen Kinos“, für das er unter anderem die vierstündige Übertragung des Begräbnisses von Leonid Breschnew zu einem achtminütigen Film komprimierte. „In Memory of L. Brezhnev“ (1982-88) zeigt eine Menschenmenge in rasender Geschwindigkeit, die sich wie ferngesteuert durchs Bild bewegt. Exakt choreographierte Körper werden attackiert und deformiert; das pompöse Staatsbegräbnis als Inbegriff des totalitären Sowjetkommunismus fällt einer medialen Ästhetik des Verschwindens zum Opfer.
In Polen befinden sich Werke von Jozéf Robakowski in fast allen bedeutenden Sammlungen. In Deutschland ist der Künstler bisher nur einem kleinen Publikum bekannt. Der Frankfurter Kunstverein zeigt in der Ausstellung „View from my Window“ neben dem gleichnamigen Film vier weitere Videoarbeiten von Robakowski als Monitor- bzw. Beamer-Projektion. Ein zweiteiliger Zusammenschnitt von Filmen bzw. Videos aus verschiedenen Werkphasen ergänzt diese Präsentation zu einem repräsentativen Überblick über das vielschichtige Werk des polnischen Videopioniers.