Fresh and Upcoming
05.03.2002 — 23.03.2002
Im Frankfurter Kunstverein lief ab März 2002 die Ausstellungsreihe „Fresh and Upcoming“.
Internationale „junge“ Künstler und Künstlerinnen am Beginn ihrer künstlerischen Karriere, die bisher nur in Gruppen- oder Galerieausstellungen zu sehen waren, erhielten die Möglichkeit einer Einzelpräsentation. Alle präsentierten Künstler standen innerhalb einer derzeit stattfindenden Repolitisierung des Kunstdiskurses.
Jennifer Tee 5. – 26. März 2002
Als ersten Teil der Ausstellungsreihe „Fresh and Upcoming“ zeigte der Frankfurter Kunstverein eine Installation und Performance der niederländischen Künstlerin Jennifer Tee. Jennifer Tee beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit Ritualen und Mythologie in verschiedenen Kulturen und deren Rezeption und Transformation in der heutigen Zeit.
Lee Taylor 9. – 28. April 2002
Die Relativierung und Synthetisierung von bisherigen Gegensätzen prägten die Entwicklung der Kunst, Musik und Politik des letzten Jahrzehnts. Crossover als Gestaltungsprinzip der politischen und kulturellen Landschaft. Lee Taylor greift mit einer Sound/Raum-Installation innerhalb der Ausstellungsreihe „Fresh and Upcoming“ im Frankfurter Kunstverein dieses Phänomen auf und generiert eine eigene Vision als Alternative zu vergangenen Tendenzen.
Lee Taylor (*1978) studiert an der Kunstakademie in Düsseldorf. Seit mehreren Jahren arbeitet er zusammen mit weiteren Künstlern unter dem Namen Gramaphonetics an experimentellen Soundkompositionen. Ausschliesslich selbst produzierte Elemente fügen sich zu einer komplizierten Struktur aus Zitaten und Brüchen.
Die Kompositionen bilden die Basis für die Installation, die sich aus einer Vielzahl von Einzelelementen zusammensetzt. Verschiedenste mediale Fundstücke, eigene architektonische Konstruktionen, sowie Zeichnung und Malerei ergeben ein komplexes Gesamtbild. Die Installation spielt keine Geschlossenheit vor, sondern streicht wie bei den Soundstrukturen die Teile des Ganzen heraus. Innerhalb der Einheit aus Sound und gestaltetem Raum werden Irritationen, Widersprüche und Differenzen zum wesentlichen Gestaltungsmerkmal.
Heather Burnett 7. – 19. Mai 2002
Innerhalb der Ausstellungsreihe FRESH AND UPCOMING zeigt der Frankfurter Kunstverein im Mai die Videoinstallation „Witness: AnAesthetic“, 2001 der Londoner Künstlerin Heather Burnett. Die Installation „Witness: AnAesthetic“ zeigt parallel nebeneinander Todesszenen aus Hollywoodspielfilmen mit realen Kriegsaufnahmen. Wie in einer Art wissenschaftlichem Experiment filmt eine Kamera den Betrachter und konfrontiert ihn auf einem zweiten Monitor mit seiner eigenen Reaktion auf die brutalen Bilder. Kriegsdarstellungen finden nur in aufbereiteter Form Eingang in die Medien und verharmlosen die Realität. Das in der Installation verwendete Dokumentationsmaterial des Kriegsberichterstatters Sorious Samura wurde in Sierra Leone gefilmt, durfte aber nie für Fernsehdokumentationen verwendet werden. Die ehemalige Journalistin Heather Burnett überwindet in der Installation die Grenzen, die den Betrachter von der direkten Begegnung mit Krieg und Rohheit trennen und führt ihm seine passive und gleichgültige Haltung gegenüber dem aktuellen Weltgeschehen vor Augen.
Sean Dack No Encore 3. – 22. September 2002
Anfang der 1990er Jahre erreichten einige Rockbands aus der Stadt Seattle, deren Musikstil von den Medien als „Grunge“ bezeichnet wurde, eine weltweite Popularität. Die musikalische Bewegung wurde als Siegeszug alternativer Musikkultur gefeiert. Kurt Cobain, der Sänger von Nirvana, der populärsten Band aus Seattle erreichte bei vielen Jugendlichen einen Idolstatus: Er prägte „den Lebensstil einer ganzen Generation“ (Bravo, 1995). Zehn Jahre nach „Smells Like Teen Spirit“ zeigt der Künstler Sean Dack (*1976, lebt in New York) in seiner Videoinstallation „No Encore“ (2001) Kurt Cobain in einer unendlichen Orgie der inszenierten Zerstörung. Die Ausschnitte von Auftritten von Kurt Cobain zeigen sich als Wiederholung abgegriffener Klischees der Rockmusik. Kurt Cobain und sein Mythos des Rockmusikers, der nicht mit der eigenen Popularität zurechtkommt, war längst ein kalkulierbarer Bestandteil der Musikindustrie. Mit Cobains‘ Selbstmord 1994 verschwand auch der mediale Hype um Seattle und „Grunge“. Ton- und Bildquelle von No Encore, ein Plattenspieler mit Repeatfunktion und ein DVD-Player, stehen sich in der Installation gegenüber. Analoge und digitale Technik werden zum Symbol der Alternative zwischen Authentizität und Manipulation, Idealen und ihrer Vermarktung, Untergrund und Masse. Eine Dualität, die den Übergang alternativer Kultur zum Mainstream markiert.
Henning Bohl 1. – 27. Oktober 2002
Die Suche nach einer neuen Gestaltung des Lebens findet ganz unterschiedliche, sogar gegensätzliche ästhetische Resultate. Mit der Errichtung von Hüttendörfern verband die Friedens- und Umweltbewegung Protest mit der Vorstellung einer ökologischen Lebens- und Bauweise. Auch die Architektur des „Neuen Bauens“ hatte eine Verbesserung der Lebensumstände zum Ziel. Im Gegensatz zu der konservativen Alternative einer direkten Integration der Natur entwickelte sich hier eine nüchterne, funktionsorientierte Formensprache.
Henning Bohl verknüpft in der Ausstellung im Frankfurter Kunstverein das träumerische Element der einen mit dem rationalen Kalkül der anderen Seite. Szenen des ökologischen Protestes treffen in den Zeichnungen und Collagen auf lineare Kompositionen. Die Hüttenbauten existieren in Bohls Arbeiten nur noch als netzartige Struktur. Ausgeschnitten und ohne Leinwand über Bilderrahmen gespannt, verwandeln sich die eher konservativen Blockhäuser in eine filigrane, konstruktivistische Ästhetik. In verschiedenen Abstraktionsebenen entwickelt Henning Bohl eine eigenständige Formensprache, die ihre eigenen Referenzen verwischt. So ist kaum zu entscheiden, ob es sich bei der großen Wandinstallation aus Dachlatten und Farbfeldern um abstrahierte Bäume oder Fachwerk oder um eine ungegenständliche Komposition handelt. Mit der Verfremdung der Vorlagen verändert sich auch die Wahrnehmung des Betrachters. Der Nachbau einer Leiter erscheint nun eher als gestalterisches, denn als funktionales Objekt.
Die formale Annäherung scheinbar konträrer Lebensentwürfe verdeutlicht den gemeinsamen Ausgangspunkt: Der Traum von einer verbesserten Welt. Naturnähe und Stil bleiben bei Henning Bohl kein Gegensatz, sondern sind unterschiedlicher Ausdruck einer Utopie.
Henning Bohl (*1975) studiert bei Prof. Bayrle an der Städelschule Frankfurt am Main.
Tue Greenfort 5. – 24. November 2002
Tue Greenfort (*1973) ist ein Beobachter. Er entdeckt Details des städtischen Lebens, die dem durchschnittlichen Bewohner unbekannt sind oder gerade auf Grund ihrer Selbstverständlichkeit kaum auffallen. Greenfort thematisiert in seinen Arbeiten diese Situationen im Raum und Alltag und offenbart durch kleine Veränderungen oder Mechanismen Einblicke in den Hintergrund der Urbanität. Künstlerische Interventionen machen Begebenheiten sichtbar und hinterfragen ihre Existenz. Bei verschiedenen Projekten im Kölner oder Frankfurter Stadtraum wies der Künstler auf die Bestimmung öffentlicher Wege durch Stadtarchitektur oder der Begrenzung von Privateigentum. Trittstufen, die er an Mauern oder Zäunen installierte, eröffneten neue oder vereinfachte Fußwege.
Ein weiterer wiederkehrender Aspekt in Greenforts bisherigen Arbeiten ist das Wechselverhältnis von Natur und Stadtraum. Die Eingrenzung von Natur oder die Veränderung natürlicher Bedingungen durch städtische Bebauung wird in den Arbeiten aufgezeigt ohne dabei einen moralisierend umweltbewegten Zeigefinger zu erheben. So dokumentierte eine Fotoserie von Tue Greenfort im Stadtraum Frankfurt lebende Füchse. Die Tiere hatten sich mit Hilfe eines vom Künstler erfundenen Selbstauslösers dabei selbst aufgenommen.
Für die Ausstellung in der Reihe„Fresh and Upcoming“ setzte sich Greenfort mit der Umgebung des Frankfurter Kunstvereins auseinander. Die Architektur des benachbarten Technischen Rathauses ist sicherlich allgemein bekannt; nicht aber der Kaffeeautomat. Tue Greenfort verwendete dessen Einwegbecher, um daraus eine Lampe im Stil der 70er Jahre zu basteln. Diese neue Beleuchtungssituation im Innenraum findet vor dem Frankfurter Kunstverein eine Entsprechung. Die nächtliche Beleuchtung von öffentlichen Straßen und Plätzen thematisiert Greenfort mit der Anbringung eines Lichtschalters an einer Straßenlaterne. Diese kann nun von Passanten während der Ausstellungszeit auch ausgeschaltet werden.
Marko Lulic 3. – 22. Dezember 2002
Die Beschäftigung mit modernen Ideologien ist das Leitthema der Arbeiten von Marko Lulic (*1972). Innerhalb des Projekts „Modernity in YU“ setzt er sich speziell mit dem Formenrepertoire der offiziellen Ästhetik des ehemaligen Jugoslawien auseinander. Der Österreicher Lulic, der selbst einige Jahre seiner Jugend in Jugoslawien lebte, wirft mit seinen Plastiken und Videoarbeiten einen Blick auf die Relikte eines nicht mehr existenten kommunistischen Staates, seine Monumente und seine heroischen Manifestationen eines festen Glaubens an die Zukunft. Mittlerweile ist diese Zukunft Vergangenheit. Die zahlreichen Mahnmale mit ihrer klaren Rhetorik des politischen Geltungsanspruches sind im ehemaligen Jugoslawien zwar noch existent, im Bewusstsein der Bevölkerung jedoch kaum mehr präsent. Marko Lulic hat die kommunistische Ästhetik sorgfältig studiert, die Denkmäler einer kritischen Revision unterzogen, von ihrer ideologischen Bedeutung und ihren erhabenen Gesten abstrahiert und das modernistische Potenzial aus den die Staatsmacht verkörpernden Betonskulpturen herausgefiltert. Indem er in kleinen Modellen die originalen Großwerke nachbildet, greift er ihre Ästhetik auf und reflektiert sie zugleich: Das Große und Erhabene wird zur kleinen Plastik aus Papiermaché, das Massive fragil, das Gesellschaftliche privat. Durch diesen Transfer stellen Lulics „verbesserte Partisanen-Denkmäler“ das avantgardistische Moment, das selbst die offizielle Ästhetik Jugoslawiens durchsetzt hat, zeitlich und visuell verschoben zur Schau. In der 2001 entstandenen Videoinstallation „Schlamm“ werden Bilder eines Edelhotels der Zeitschrift „Penthouse“ in Jugoslawien mit nachgestellten Aufnahmen aus ehemaligen Jugendfreizeitlagern kontrastiert. Die Gegenüberstellung thematisiert eine Doppelmoral sozialistischer Politik: Die Unterhaltung eines kapitalistischen „Pornohotels“ unterläuft das in den Jugendlagern zelebrierte naturverbundene Nationalgefühl, wenn auch unter dem Aspekt der körperlichen Freizügigkeit sicherlich Entsprechungen beider Seiten zu finden sind.
Omer Fast 5. – 23. Februar 2003
Die Videoinstallation „A Tank Translated“ von Omer Fast (*1972) zeigt auf vier Monitoren Gesprächsausschnitte mit vier jungen Soldaten einer israelischen Panzerbesatzung. Die Monitore sind auf unterschiedlicher Höhe installiert und entsprechen damit der unterschiedlichen Position der Soldaten auf dem Panzer. In ihren Aussagen beschreiben die Soldaten sehr unterschiedlich ihr Befinden in dem Panzer und ihre Wahrnehmung der äußeren Umgebung während eines Einsatzes. Innerhalb der Untertitel der in hebräisch geführten Interviews greift Omer Fast jedoch in den sonst dokumentarischen Charakter des Bildmaterials ein. So verändern sich bei zwei Personen im Gespräch auftauchende militärische Begriffe in den Untertiteln in zivile Ausdrücke. Bei den Anderen verschwinden einzelne Worte ganz oder die Aussagen werden ins Gegenteil verkehrt. Mit dem Inhalt der Gespräche entgleitet dem Betrachter die Vorstellung von militärischen Operationen. Omer Fast verwischt nicht nur die Grenze zwischen der offiziellen staatlichen Funktion der Männer und ihrem persönlichen zivilen Leben, sondern wirft ebenso Fragen zum Verhältnis von Zivilbevölkerung und Militär, Krieg und Medien oder Realität und Manipulation auf. Das Aufbrechen der bestehenden Satzstruktur führt zu neuen Sinnzusammenhängen, die sich nicht durch das bestehende Verhältnis von Bild zum Text korrigieren lassen. Die offensichtliche Manipulation der Übersetzung visualisiert damit die, nicht nur sprachliche, Möglichkeit der Veränderung und eines neuen Verständnisses. Die Untertitel sind jeweils abwechselnd in englisch und deutsch zu sehen.
Omer Fast wurde in Israel geboren und lebt in Berlin und New York.
Flammencommando 3. – 24. März 2003
Der Abwurf von Care-Paketen ist als humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Krisengebieten gedacht. Ihre tatsächliche Bedeutung wird bei jedem Einsatz allerdings erneut in Frage gestellt. Aufgrund des Inhalts oder der geographischen Unzugänglichkeit der Pakete wird diesen Hilfsaktionen oftmals mehr ein symbolischer, denn ein humanitärer Charakter unterstellt.
Die Künstlergruppe Flammencommando nahm das Thema als Ausgangspunkt ihrer Installation in der Reihe „Fresh and Upcoming“. In einer Mischung aus Installation, Grafik, Sound und Videoprojektion entwerfen sie die Fiktion eines Abwurfs von Care-Paketen in Frankfurt am Main. Die Künstler selbst strahlen in einer Wandarbeit „Help“ an die Decke, und in einer Videoanimation liegen die unförmigen Pakete wie Fremdkörper vor der Kulisse der Stadt. Die an Comic und Graffiti orientierte Bildsprache des Flammencommando verwandelt die imaginäre Hilfsaktion in eine eher bedrohliche Atmosphäre. So erscheinen Care-Pakete sowie der Hilferuf als Teil einer militärischen Operation. Bernhard Frey (*1974) und Jörg Globas (*1975) arbeiten seit 1999 unter dem Namen Flam-mencommando zusammen. Ihre unterschiedliche Herkunft aus den Bereichen Malerei und Fotografie bzw. Grafik verbindet sich in den meist ortsspezifisch entwickelten Projekten. Thematisch setzen sich ihre Installationen mit der Ästhetik von Macht und Gewalt in Medien, Politik und Freizeitkultur auseinander.
Shannon Bool 1. – 27. April 2003
Die Ablehnung des Ornaments begründete Adolf Loos mit dessen Ablösung von einem zeitgenössischen kulturellen Diskurs. „Da das Ornament nicht mehr organisch mit unserer Kultur zusammenhängt, ist es auch nicht mehr der Ausdruck unserer Kultur“. So wird das Ornament da es den Menschen in seiner kulturellen Entwicklung schädigt, mit Rückständigkeit gleichgesetzt.
Die Arbeiten von Shannon Bool (*1972) zeigen eine kontinuierliche Beschäftigung mit der Funktion von Ornament. Entgegen des von Loos postulierten fehlenden Zusammenhangs von Ornament und zeitgenössischer Kultur, ist bei Bool gerade das Ornament ein Bindeglied medialer Ästhetik. Die in den Zeichnungen, Collagen und Wandarbeiten sich in mehreren Ebenen überlagernden Bildfragmente zeigen sich als Patchwork subjektiver Einflüsse und Erfahrungen. Moderne Verklärungen einer romantisch naturnahen Lebensweise, wie die amerikanische Fernsehserie „Lassie“, spielen beispielsweise auf das Klischeebild ihres Geburtslandes Kanada an und vermischen sich mit Vorlagen aus Märchen- und Kinderbüchern.
Militärische Motive brechen diese Rekonstruktion einer „heilen Welt“. Die in die Bilder integrierten ornamentalen Fragmente bilden ein Bindeglied der verschiedenen Realitätsebenen. Sie durchbrechen die Perspektive der figurativen Motive und überführen sie als Konstruktion. Die einzelnen Motive bleiben Versatzstücke einer unbestimmten Realität, die sich in einem Teppich an Assoziationen verweben.
Für die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein kombiniert Shannon Bool eine neue Wandarbeit mit der Präsentation von Arbeiten auf Papier. Sie studiert zurzeit bei Prof. Christa Näher an der Städelschule.
René Zeh: Inseln 6. Mai – 22. Juni 2003
René Zehs Installationen sind nicht abgeschlossen. Sowohl innerhalb der Arbeitsweise, bei der Elemente bisheriger Arbeiten Teil neuer Zusammenhänge werden, als auch in der thematischen Auseinandersetzung treten Brüche und Differenzen mehr in den Vordergrund, als dass sie dem Betrachter ein geschlossenes System präsentieren.
Für die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein veränderte René Zeh (*1973, lebt in Düsseldorf) die räumlichen Gegebenheiten. Zwei sehr unterschiedliche Räume im Untergeschoss des Frankfurter Kunstvereins schieben sich durch Zehs Veränderung ineinander. Statt einer Vereinheitlichung rückt die architektonische Differenz nun noch stärker in den Vordergrund. Wo vorher eine Treppe war, muss der Besucher nun unbequem einen Absatz überwinden.
Die Veränderung entspricht der thematischen Auseinandersetzung, die in den Räumen stattfindet. Der Titel der Ausstellung „Inseln“ fasst die einzelnen Objekte von René Zehs Interesse zusammen. Es sind reale Zufluchtsorte, wie Lifestyle, Mode oder Urlaub, die eine Sehnsucht nach Ausbruch und Veränderung verkörpern, sich aber in Klischees und Tristesse verlieren. Zeh lässt dabei die Reflexion des eigenen Standpunktes nicht aus. Die Kunst zeigt sich als Oberfläche in Form von Hunderten von Einladungskarten. Die Leere hinter dem Traum von der Hütte in der Südsee wiederholt sich durch die Negation jeglichen Inhalts in der Menge der Karten. In den Arbeiten von René Zeh überlagern sich verschiedene Lebensformen, und anstatt diese gegeneinander auszuspielen, nutzt er deren Spannung, um die Divergenz der Realität zu fassen.
Martha Colburn 8. Juli – 3. August 2003
Martha Colburns (*1971 in Pennsylvania, lebt in Amsterdam) Experimentalfilme setzten sich aus vorgefundenem Filmmaterial, Zeitungsausschnitten und eigenen Zeichnungen zusammen. In diesen animierten Collagen ergeben immer wiederkehrende Themen wie Gewalt, Sex, Fetischismus und Tod ein eigentümlich widersprüchliches und ironisches Konglomerat.
Die in den Filmen verwendeten Symbole und Klischees lösen sich in ihrer Fülle und Überlagerung von ihrem Ursprung und werden zu einem eigenständigen und unverwechselbaren Teppich unterschiedlicher Einflüsse. Die stark von der Experimentalmusikszene beeinflusste Arbeitsweise und Ästhetik von Martha Colburn, selbst Mitglied einer Band, drückt sich auch in einer engen Zusammenarbeit mit dem „Chaospoeten“ und Musiker Reverend 99 Hooker sowie der Vertonung ihrer Filme mit Musik von Jad Fair bis hin zu dem Elektroniker Felix Kubin aus.
Neben einer Zusammenstellung von sechs Filmen präsentiert sie Filmstreifen eigener Filme auf Leuchtkästen und großformatige, von hinten beleuchtete „Dias“. Das Moment der Bewegung wird den animierten Collagen genommen und diese wieder auf die Fläche zurückgeführt. Ebenso wie sich Collage und Musik in den Filmen miteinander verbinden, so verfließen hier die Grenzen zwischen Film, Fotografie und Objekt.
Michael Mahalchick 9. – 26. Oktober 2003
Sowohl in der Produktion wie Rezeption unterstehen die Arbeiten Michael Mahalchicks einer permanenten Verwandlung und Verschiebung der Kontexte. So lösen die aus Kleidungsstücken genähten und geschnürten Objekte gegensätzliche Assoziationen aus, die in einer spezifischen Weise ineinander verfließen. Erscheinen einige der Arbeiten wie gebundene Gliedmaßen, Genitalien oder verschnürte Lebewesen, so stellen andere die Materialität und Farbigkeit der Stoffe in den Vordergrund und werden zu amorph-fragilen Abstraktionen. Entgegen der zurückgenommenen Sprache der Objekte, tritt dem Zuschauer bei den Performances von Michael Mahalchick eine phantastische und schrille Welt aus Selbstdarstellung und Rollenklischees entgegen.
Simon D. Møller 4. – 23. November 2003
Die Reihe „Fresh and Upcoming“ zeigt im November aktuelle Arbeiten des Städelschülers Simon Dybbroe Møller (*1976). Der dänische Künstler beschäftigte sich in seinen bisherigen Arbeiten mit historischen und strukturellen Bedingungen von Urbanität und Lebensgestaltung. In verschiedenen installativen Arbeiten thematisierte er Vorläufer wie die Design-Avantgarde der 20er und 30er Jahre. Die für die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein neu entstandenen Arbeiten nehmen alltägliche Situationen und Bedingungen zum Ausgangspunkt, um durch leichte Veränderungen ihre Gegebenheit in Frage zu stellen und potenzielle Veränderungen auszuloten.
In dem Video „Very tomorrow, very yesterday“ ist im ersten Moment unklar, ob die sichtbaren Verkehrswege real sind, da sie offensichtlich zu nichts führen und damit auch keinen Nutzen haben. Tatsächlich handelt es sich um das bereits angelegte Straßennetz eines noch nicht existenten Stadtviertels. Die Situation könnte theoretisch spannend und zukunftsweisend sein. Jedoch erstirbt der Gedanke an etwas Neues sofort durch die Erkenntnis der Realität. Die geografische Lage und das Umfeld verweisen zu deutlich auf ein weiteres Neubaugebiet, dessen zukünftige Gestalt hinlänglich bekannt ist, weshalb seine nähere Verortung kaum notwendig erscheint. Die in dem Video sukzessive auftauchenden Menschen übersetzen die Straße jedoch auch von einem profanen Verbindungsweg in ein abstraktes Bild von Kommunikation und Stadtstruktur. Gerade die Vereinfachung, die in dieser nüchternen Reduktion der Stadt auf ihre Grundstruktur liegt, verweist auf die tatsächliche Komplexität von Urbanität.
Das Bild einer vorgegebenen Struktur setzt Møller anhand einer Reihe von Papierarbeiten fort. Mit der fast unmerklichen Veränderung der Lineatur von kariertem DIN A4 Papier wird die Vorraussetzung selbst zum Arbeitsmaterial. Die Sätze, die innerhalb der Struktur des Karopapiers sichtbar werden, betonen die Existenz verschiedener Sichtweisen und Realitäten. Sie könnten damit auch gut als Überschrift für Simon Dybbroe Møllers künstlerische Tätigkeit dienen.
Fowler / Campbell 9. + 16. Dezember 2003
Die letzte Ausstellung in der Reihe „Fresh and Upcoming“ fand in Form von zwei Filmabenden statt, die die Künstler Luke Fowler (*1978, lebt in Glasgow) und Duncan Campbell unter dem Titel „Outsider Documentary“ zusammengestellt haben. Die Dokumentarfilme beschäftigen sich größtenteils anhand einzelner Musiker mit einer historischen Rekonstruktion der Punk- / Rock- oder Avantgardemusik. An den Abenden wird jeweils ein aktueller Film der Künstler einem älteren Film gegenübergestellt. Mit dem Titel „Outsider Documentary“ weisen Fowler und Campbell nicht nur auf die inhaltliche Gemeinsamkeit, Außenseiter der Musikgeschichte, der Filme hin, sondern auch auf die filmischen Herangehensweisen, die versuchen, Möglichkeiten und Grenzen des Genres Dokumentarfilm auszuloten. Luke Fowler war u.a. auf der Manifesta 4 mit der Dokumentation „What You See Is Where You’re At“ vertreten.