Marcel Odenbach. Auch wenn der Fahrer ein Anderer ist, der Lastwagen bleibt der Gleiche
04.10.2002 — 22.12.2002
Video ist für Marcel Odenbach keine Möglichkeit neue Bilder zu schaffen, sondern bestehende zu bearbeiten. Die verwendeten filmischen Materialien sind emblematische Bilder mit hoher Symbolkraft. Dem Betrachter aus dem Fernsehen vertraut, stehen sie für historische Ereignisse oder gesellschaftliche Problemstellungen. Mit Hilfe von Schnitten, Überblendungen und Gegenüberstellungen produziert Odenbach ein assoziatives Gefüge sich kommentierender oder widersprechender Bilder, die die aufgerufenen Themen in neue Kontexte und damit zur Diskussion stellen. Ein räumliches Arrangement der filmischen Fragmente integriert den Betrachter in die Werke und fordert die eigene Positionierung.
Marcel Odenbach (*1953 Köln) arbeitet seit 1975 mit Video und hat seitdem die künstlerische Verwendung des Mediums entscheidend beeinflusst. Immer wieder findet Odenbach neue Möglichkeiten der Übersetzung des bewegten Bildes in den Raum. Die Ausstellung „Auch wenn der Fahrer ein anderer ist, der Lastwagen bleibt der Gleiche“ entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und zeigt insgesamt acht Installationen und eine Auswahl von Videobändern. Arbeiten der 90er Jahre bis heute sowie frühe Arbeiten vom Ende der 70er Jahre vermitteln einen umfassenden Überblick über das bisherige Werk Marcel Odenbachs. Neben diesem retrospektiven Aspekt steht die Darstellung thematischer Schwerpunkte im Vordergrund. Deutschland und seine Geschichte vor und nach der Wiedervereinigung und die Thematisierung von Migration und Minoritäten sind zwei immer wiederkehrende Themenkomplexe bei Marcel Odenbach. Verbinden sich im ersten Fall die Folgen der Verarbeitung deutscher Traumata wie Holocaust, Terrorismus oder die Trennung Deutschlands mit Fragen nach dem spezifischen „Deutschsein“, so blickt die Collagierung von Bildern aus afrikanischen Ländern oder den USA hinter die mediale Oberfläche und ruft Hintergründe wie Flucht und Unterdrückung in Erinnerung.Die künstlerische Zusammenstellung medialer Bilder entlarvt sie als Ausschnitt einer komplexen „Wahrheit“. Odenbach integriert in viele seiner Arbeiten die eigene Person und Biografie. Ebenso wie durch die räumliche Einbeziehung des Betrachters in die Installationen vermittelt sich die Bedeutung des eigenen, subjektiven Anteils an der Bildung eines kollektiven Gedächtnisses. „Deutschland“ und „Minorität“ als wesentliche Aspekte im Werk von Marcel Odenbach verbinden sich im Titel der Ausstellung. „Auch wenn der Fahrer ein anderer ist, der Lastwagen bleibt der Gleiche“ ist der Refrain eines Liedes, das nach einer Wahl in einem afrikanischen Land gesungen und sofort verboten wurde, aber auch die aktuelle politische Stimmung in Deutschland charakterisiert.
Zur Ausstellung ist die Publikation „Blenden“ erschienen, hrsg. von Vanessa Joan Müller und Nicolaus Schafhausen für den Frankfurter Kunstverein in Kooperation mit dem Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main und dem Kunstraum Innsbruck.
Texte von Dan Cameron, Jörg Heiser, Kobena Mercer, Vanessa Joan Müller, Marcel Odenbach, Astrid Wege; Vorwort von Nicolaus Schafhausen, dt./engl., Verlag Lukas & Sternberg, ISBN 0-9711193-8-4