Populismus
11.05.2005 — 04.09.2005
Eröffnung: 10. Mai 2005, 19.30 Uhr
Populismus hat viele verschiedene Gesichter. Viele verschiedene Dinge können mit gutem Grund als Populismus bezeichnet werden. Wir müssen nicht notwendiger Weise mit dem Begriff Populismus einverstanden sein. Vielleicht muss der Begriff Populismus auch nicht notwendiger Weise eine einzige Bedeutung besitzen. Die Nützlichkeit eines Begriffs mit verschiedenen Bedeutungen liegt in der Tatsache, dass er auf eine Familienähnlichkeit zwischen verschiedenen Phänomenen verweisen kann, die dann Populismus genannt werden. Aus diesem Grund wird es sich bei jedem Projekt über Populismus schnell zeigen, dass die dazu Beitragenden – Künstler, Akademiker, Autoren und andere Intellektuelle – das Wort in ganz unterschiedlicher Weise verwenden.
Dieter Lesage, „Populismus und Demokratie“
in: The Populism Reader.
Im Mai 2005 wurde im Frankfurter Kunstverein nach zweijähriger Vorbereitungszeit das von den Kuratoren Lars Bang Larsen, Cristina Ricupero und Nicolaus Schafhausen für das Nordic Institute for Contemporary Art (NIFCA) mit Sitz in Helsinki, Finnland, initiierte Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt Populism (Populismus) eröffnet.
Die DekaBank förderte dieses außergewöhnlich innovativ angelegte europäische Ausstellungsprojekt als Hauptsponsor in Deutschland. Im dritten Jahr der Partnerschaft stellte die DekaBank, der zentrale Invest- mentdienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe, die Ausstellung „Populism“ in das Zentrum ihres Engagements für den Frankfurter Kunstverein. Die Unterstützung unterstrich das Anliegen des Unternehmens, in Kooperation mit namhaften Institutionen aus Kultur und Wissenschaft, anspruchsvolle Projekte in das öffentliche Blickfeld zu rücken. Unter dem Motto „Chancen ermöglichen“ förderte das Kreditinstitut als langfristiger Partner mit einem umfangreichen Programm die zeitgenössischen Künste. „Wir wollen dazu beitragen, ein komplexes Thema wie Populismus einem möglichst breiten Publikum nahe zu bringen. Zugleich wünschen wir uns, dass mit dieser europäischen Ausstellung über die Landesgrenzen hinweg kontroverse Diskussionen in allen Gesellschaftsbereichen angestoßen werden“, erläuterte Silke Schuster-Müller, Leiterin der Kultur- und Wissenschaftsförderung der DekaBank. Die Ausstellung, die das Verhältnis zwischen zeitgenössischer Kunst und aktuellen politischen, populistischen und kulturellen Tendenzen in den Mittelpunkt rückt, fand parallel in vier führenden europäischen Museen und Ausstellungshäusern statt:
Centre for Contemporary Art, Vilnius. 9. April bis 8. Juni 2005
National Museum of Art, Architecture and Design, Oslo. 16. April bis 28. August 2005
Stedelijk Museum, Amsterdam. 30. April bis 4. September 2005
Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Main. 11. Mai bis 4. September 2005
Im Laufe des Jahres 2005 fanden Vortragsreihen in verschiedenen europäischen Städten statt. Zusätzliche Kooperationen mit lokalen Medienpartnern stellten verschiedene Künstlerprojekte vor und ergänzten die Debatte um theoretische Beiträge.
Das Projekt „Populism“ versucht einen konkreten Ort für jene Erfahrungen, Reflexionen und Diskussionen zu formulieren, die in Verbindung zu einem ebenso komplexen wie weitläufigen zeitgenössischen politischen Phänomen stehen. Es gibt wenig Zweifel daran, dass populistische Bewegungen einen großen Teil ihrer Überzeugungskraft aus ihrer Fähigkeit ziehen, jene Affekte und Begehren zu schüren, die außerhalb jener Prozesse liegen, die die offizielle demokratische Politik kennzeichnen. Auf dieser affektiven Ebene kann eine Kunstausstellung ansetzen, die Erfahrungs- und Reflexionsräume bietet, die sich von anderen öffentlichen Foren unterscheiden. Der Ausgangspunkt liegt hier in der Idee, dass die Affekte und Begehren, die populistische Politik charakterisieren, sich nicht notwendigerweise von jenen unterscheiden, die ihren Ausdruck in der Sphäre der Kunst finden. Schlüsselfragen sind auch, wie sich Formen des Populistischen selbst– ob links- oder rechtsgerichtet, progressiv oder reaktionär – und ihre Suche nach Massenwirksamkeit über Stilbewusstsein und ästhetische Strategien propagieren. Es sind die Ökonomien der Zeichen und des Begehrens, die sich auch in der politischen Imagination der visuellen Kunst finden und aktuelle Kulturdebatten adressieren, indem sie Räume und Bilder schaffen, die die Vorstellung von Demokratie modifizieren.
Populism zeigte neue Werke und Projekte von ca. 40 internationalen KünstlerInnen und Künstlergruppen und vereinte eine Vielzahl künstlerischer Strategien.
Die Ausstellung zielte nicht darauf ab, ihr Thema durch „populistische Kunst“ zu illustrieren. Die KünstlerInnen der Ausstellung befassen sich vielmehr auf sehr unterschiedliche Weise durch Unterthemen mit populistischen Einstellungen und Ideologien unserer Zeit: die massenmediale Projektion von Politik; Wirtschaftspopulismus und Kulturindustrie; Gruppen- und korporative Identitäten; Repräsentationen und Räume „des Volkes“; Gesetz, Ordnung und Sicherheit; religiöse und moralische Kontroversen; Nationalismus und Xenophobie. Während einige KünstlerInnen versuchen, positive Formen des Populistischen jenseits der Demagogie zu finden und den Unterdrückten eine Stimme zu geben, untersuchen andere alternative Strategien der Repräsentation und Organisation als Kritik der Versprechen des Populismus.
Institutioneller Beirat: Ina Blom, Department of Art History IAKK, Universität Oslo; Leontine Coelewij, Stedelijk Museum Amsterdam; Lolita Jablonskiene, Contemporary Art Information Center in Vilnius; Gavin Jantjes, Contemporary Art Museum in Oslo, Maaretta Jaukkuri, Kiasma – Museum of Contemporary Art, Helsinki und Vanessa Joan Müller, Frankfurter Kunstverein.
Die Ausstellung Populism wird von zwei Publikationen begleitet:
The Populism Reader ist eine Anthologie mit 20 Texten von Politikwissenschaftlern, Journalisten, Kunsthistorikern und Philosophen zu den verschiedenen Aspekten von Populismus. Die Beiträge stammen u. a. von Chantal Mouffe, Ernesto Laclau, Brian Holmes, Ingo Niermann, Audrone Zukauskaite, Marius Babias, David Trads, Ina Blom, Bart Lootsma, Niels Werber, Piotr Piotrowski und Lars-Erik Frank. The Populism Reader wird illustriert von Atelier van Lieshout.
Populism Catalogue dokumentiert die vier Ausstellungen und enthält eine Anzahl von Kurzgeschichten von Mathias Faldbakken, Liam Gillick und anderen. Beide Publikationen enthalten eine Einführung der Kuratoren der Ausstellung. Redaktionelle Koordination: Eva May. Redaktion: Vanessa Joan Müller, Marita Muukkonen, Jill Winder.
Fotodokumentation: Andrea Stappert. Verlag: Lukas & Sternberg, Berlin/New York.
Darüber hinaus war ein kostenloser Ausstellungsführer im Tabloid-Format – The Populist – in englischer Sprache und in der jeweiligen Landessprache in den teilnehmenden Ausstellungshäusern erhältlich.
Das graphische Design von Populism wurde von M/M (Paris) gestaltet.
Für mehr Info besuchen Sie: NIFCA, Stedelijk Museum, The National Museum for Art, Architecture and Design
Kuratoren: Lars Bang Larsen, Cristina Ricupero, Nicolaus Schafhausen
Project coordinator: Nathalie Aubret
Beteiligte Künstler: Participating Artists: Juan Pérez Agirregoikoa Fatma Akinci, Petra Bauer, Bernadette Corporation, Marc Bijl, Jakob S. Boeskov, Martin Le Chevallier, Phil Collins, Minerva Cuevas, Jeremy Deller, Dias & Riedweg, Gardar Einarsson & Matias Faldbakken, Esto TV, Anita Fricek, Jens Haaning & Superflex, Russell Haswell, Henry Vlll´s Wives, Henrik Plenge Jakobsen, Susanne Jirkuff, Amar Kanwar, Per Kirkeby, Matthieu Laurette, Jani Leinonen, Erik van Lieshout, Mindaugas Lukosaitis, Annika Lundgren, Cildo Meireles, Jean-François Moriceau & Petra Mrzyk, Sarah Morris, Begoña Muñoz, Roman Ondak, Kirstine Roepstorff, Willem de Rooij, Julika Rudelius, Stig Sjölund with Ronny Hansson, Jonas Kjellgren and Birgitta Tholander, Otto Snoek, Sean Snyder, Temporary Services, Milicia Tomic, Nomeda & Gediminas Urbonas, Wang Du, Tobias Zielony