Vortrag: Übrigens sterben immer die Anderen … Leib und Leichnam in der Philosophie der Gegenwart

14.05.2014

Vortrag von Andrea Esser (Co-Leiterin des interdisziplinären Forschungsprojekts „Tod und toter Körper“)

Duchamps Grabspruch „D’ailleurs, c’est toujours les autres, qui meurent“ ist eine ironische Erinnerung: wir wissen zwar ohne Frage, dass alle Menschen sterblich sind, aber mitunter scheinen wir zu vergessen, dass auch wir damit gemeint sind. Die eigene Sterblichkeit können wir aber nicht als nur erkennende Wesen begreifen, sondern dazu sind wir auch als soziale, emotionale und leibliche Wesen, d.h. als Personen gefordert. „Der Tod“ mag zwar begrifflich allgemein als das „irreversible Ende eines Organismus“ korrekt beschrieben sein, doch als Personen sind wir nicht nur Angehörige der Gattung, sondern Ursprung und Bezugspunkt eines individuell geführten und leiblich vollzogenen, besonderen Lebens. Dieses individuelle Leben beendet der Tod und lässt keine Leiche, sondern einen gestorbenen Leib zurück. Diese personale Qualität des Todes und des Leichnams ist nicht in eine begrifflich-allgemeine, sondern nur in ästhetisch-künstlerischen Darstellungen angemessen zu fassen.

Andrea Esser ist seit 2006 Professorin für Praktische Philosophie an der Philipps-Universität Marburg; zudem ist sie Herausgeberin von Kants „Kritik der Urteilskraft“ der Akademie Ausgabe, Mitherausgeberin der Deutschen Zeitschrift für Philosophie (DZPhil) und Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Philosophie (DGPhil). Esser leitet darüber hinaus das Teilprojekt I „Die Philosophie in der Funktion einer kritisch-rekonstruktiven und kritisch-normativen Reflexion“ des interdisziplinären Forschungsprojektes „Tod und toter Körper. Transmortalität“ (Aachen, Berlin, Marburg, Zürich). Sie studierte Philosophie, Psychologie und Politikwissenschaften an der LMU München, wo sie 1994 in Philosophie promovierte. 2002 folgte dann die Habilitation in Philosophie ebenfalls an der LMU München.