Was heißt Toleranz? Vom Umgang mit kultureller und religiöser Differenz

27.05.2010

*Feridun Zaimoglu im Gespräch mit Prof. Rainer Forst, Moderation: Peter Siller*

Der Forschungsverbund „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ der Goethe Universität Frankfurt am Main lud gemeinsam mit dem Frankfurter Kunstverein zum 2. Stadtgespräch ins Café im Kunstverein im Steinernen Haus am Römerberg. Jeweils zwei interessante Gäste dachten laut nach und diskutierten aktuelle Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Kultur.

In modernen Gesellschaften wächst die Vielfalt an kulturellen und religiösen Standpunkten. Wie aber umgehen mit der Differenz? Mit ihr verbindet sich zum einen die Hoffnung auf eine neue Kultur des Respekts, zum anderen aber auch die Angst vor neuen Konflikten.

Frankfurt lebt von der Weltoffenheit und Vielfalt seiner Bürgerinnen und Bürger, gleichzeitig schlagen die Wellen, etwa beim Bau einer Moschee, hoch. Und wo an der einen Stelle ein echtes Miteinander ist, ist es an anderer Stelle eher ein Nebeneinander. Im Zentrum all dessen steht die Frage, was wir eigentlich unter Toleranz verstehen. Anerkennung? Duldung? Oder doch am Ende nur Anpassung? Mit dem Philosophen und Politikwissenschaftler Prof. Rainer Forst beteiligte sich einer der international führenden Toleranzforscher am zweiten Frankfurter Stadtgespräch. Mit dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu („Leyla“, „Hinterland“) konnte einer der bedeutendsten Autoren der jüngeren deutschen Schriftsteller-Generation gewonnen werden, der sich in vielen seiner Texte mit kulturellen und religiösen Identitäten befasst hat. Ausgangspunkte für ein lebendiges und aufschlussreiches Gespräch. Feridun Zaimoglu hat zudem aus einigen seiner literarischen Texte vorgetragen.

*Feridun Zaimoglu*, geboren 1964 im anatolischen Bolu, lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Er studierte Kunst und Humanmedizin in Kiel, wo er seither als Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist arbeitet. Er war Kolumnist für das Zeit-Magazin und schreibt für die Welt, die Frankfurter Rundschau, Die Zeit und Die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Im Jahr 2002 erhielt er den Hebbel-Preis, 2003 den Preis der Jury beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und 2007 den Carl-Amery-Literaturpreis. Im gleichen Jahr übernahm er die Tübinger Poetik-Dozentur gemeinsam mit Ilija Trojanow. 2010 wurde Feridun Zaimoglu mit dem Jakob-Wassermann-Literaturpreis ausgezeichnet in Anerkennung seines Werkes und für seine Rolle als Mittler im deutsch-türkischen Dialog.

*Rainer Forst* ist Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Nach einem Studium der Philosophie, Politikwissenschaft und Amerikanistik in Frankfurt/Main, New York und an der Harvard University sowie einer Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Forschungsprojekt zur Rechtstheorie in Frankfurt promovierte er im Jahre 1993 (bei J. Habermas) mit einer Arbeit zu Theorien politischer und sozialer Gerechtigkeit („Kontexte der Gerechtigkeit. Politische Philosophie jenseits von Liberalismus und Kommunitarismus“, Suhrkamp 1994) und habilitierte sich im Fach Philosophie mit der Arbeit: „Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs“ (Suhrkamp 2003). Seit November 2007 ist er (gemeinsam mit Prof. Klaus Günther) Sprecher des neu etablierten Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“. Im gleichen Jahr veröffentlichte Rainer Forst „Das Recht auf Rechtfertigung. Elemente einer konstruktivistischen Theorie der Gerechtigkeit“. Sein neuestes Werk „Kritik der Rechtfertigungsverhältnisse. Perspektiven einer kritischen Theorie der Politik“ erscheint 2010.

*Peter Siller* (* 1970) ist Scientific Manager des Exzellenzclusters „Formation of Normative Orders“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Zuvor war er Leiter der Abteilung Inland der Heinrich-Böll-Stiftung und Mitglied des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Studium der Rechtswissenschaften und der Philosophie. Er ist außerdem Gründer und leitender Redakteur der Zeitschrift „polar“, die halbjährlich im Campus-Verlag erscheint (www.polar-zeitschrift.de). Zahlreiche Veröffentlichungen zu politischer Philosophie und Praxis, u.a. „Rechtsphilosophische Kontroversen der Gegenwart“ (1999), „Politik als Inszenierung“ (2000), „Zukunft der Programmpartei“ (2002), „Arbeit der Zukunft“ (2006), „Politik der Gerechtigkeit“ (2009).

Eine Veranstaltungsreihe aus vier Stadtgesprächen im Jahr des Forschungsverbundes „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ der Goethe Universität Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Kunstverein.