Pressestimmen zu „Three Doors”

Künstlerische Ermittlungen zu tödlichem Rassismus

„Die Kraft der Ausstellung bestehe darin, dass sie einerseits über das von Forensic Architecture gesammelte Wissen sehr objektiv funktioniere und sehr sachlich sei, sagt Kunstvereinsleiterin Franziska Nori. Auf der anderen Seite werde aber auch die Gerechtigkeitsfrage gestellt, „die im Raum steht und beantwortet werden muss“.

Und so werden Punkt für Punkt strittige und quälende Fragen zum Rassismus in der Polizei, zum dilettantisch desinteressierten Einsatz am Täterhaus und zum Ausfall der Notrufnummer in einer präzise recherchierten Gegenerzählung dargestellt.

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Der Frankfurter Kunstverein macht sich mit dieser beklemmenden Ausstellung zum Sprachrohr einer Zivilgesellschaft, die den Rassismus als Kernproblem unserer Gesellschaft begreift. Wunsch und Hoffnung sei, dass der Diskurs lebendig gehalten werde über das, was gesellschaftlich Not tue, sagt die Kunstvereinsleiterin Franziska Nori: ‚Wie wollen wir unsere Gesellschaft in Zukunft denken, was ist eine solidarische Gesellschaft?‘

Schon jetzt ist ‚Three Doors‘ die wichtigste Ausstellung des Jahres und wird zweifellos für heftigen Medientumult sorgen. Und hoffentlich ein paar bislang verschlossene Türen aufsprengen.“

Rudolf Schmitz, Deutschlandfunk Kultur, 02.06.2022

 

„Die Wahrheit, sie ist hier, in diesem Raum“

„Hinterher ist man fassungslos. Und wütend. Ohnmächtig. Traurig. Man fragt sich: Wie kann das alles sein?

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Die Ausstellung ist womöglich keine Kunstausstellung. Ästhetik ist allenfalls zur Verdeutlichung von Fakten interessant. Wenn man davon ausgeht, dass es bei Kunst auch um Menschlichkeit und ein lebenswertes Leben geht, um soziale Aspekte und Politik, um Gesellschaftsentwürfe, dann hat diese Ausstellung wiederum sehr viel mit Kunst zu tun.

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‚Three Doors‘ heißt die Ausstellung, drei Türen stehen im Zentrum der Schau: Ein verschlossener Notausgang in einer Bar in Kesselstadt, die Haustür des Täters in Hanau-Kesselstadt, die von der Polizei nicht gesichert wurde, die Zellentür in Dessau, die ganz offensichtlich zum Brandzeitpunkt nicht verschlossen war. Man kann diese Türen

als Metaphern verstehen, aber dann wird es pathetisch. Die Ausstellung, die formal sehr nüchtern wirkt, braucht kein Pathos, um zu wirken. Das, was zu sehen ist, wirkt beklemmend. Es zeigt, dass in Deutschland erschreckend viel falsch läuft. Man hatte es ja gewusst. Es so deutlich vor Augen geführt zu bekommen, ist trotzdem hart.

Sandra Danicke, Frankfurter Rundschau, 03.06.2022

 

Die Zivilgesellschaft muss handeln

„Wenn der Staat und seine Ermittlungsbehörden versagen, muss die Zivilgesellschaft handeln. Wie das mit den Mitteln der Kunst geschehen kann, wird in der Ausstellung „Three Doors“ im Frankfurter Kunstverein deutlich.

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Jede Tür öffnet eine neue Perspektive auf strukturellen Rassismus in deutschen Behörden, fehlenden Konsequenzen, eingestellten Ermittlungen und vielen offenen Fragen. „Es ist keine normale Kunstausstellung“, sagt Franziska Nori, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins und fährt fort: „Hier werden komplexe Informationen sinnlich wahrnehmbar gemacht und wir zeigen: Unsere Gesellschaft ist divers und wir müssen solidarisch bleiben.“ In der Ausstellung geht es darum, mit künstlerischen, bildwissenschaftlichen und investigativ-journalistischen Mitteln sowie den Stimmen der Betroffenen eine Gegenerzählung zu schaffen.

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Es bleibt zu hoffen, dass die Erkenntnisse, die hier im Frankfurter Kunstverein präsentiert werden, bis nach Wiesbaden gelangen und dort endlich weitere Ermittlungen in Gang setzen.“

Jasmin Schülke, Journal Frankfurt, 03.06.2022

 

Kunst der Aufklärung – die Ausstellung Three Doors in Frankfurt

„Eine Ausstellung im Frankfurter Kunstverein hat Wellen geschlagen: Sie zeigt neue Erkenntnisse zum rassistischen Anschlag von Hanau und zum Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh. Eine Ausstellung, die mehr ist, als eine Schau von Werken. Es geht um Fragen, die uns als Gesellschaft betreffen. Und es geht um die Frage, welche Rolle die Kunst dabei spielt.“

Juliane Orth, hr-Info Kultur, 05.06.2022

 

Türen der Wahrheit

„Das Postulat ‚Aufklärung‘ darf in dieser Ausstellung wörtlich genommen werden. Was darin an Informationen und Fakten ausgebreitet wird, zielt auf belastbare Beweisaufnahme und eindeutige Wahrheit, nicht auf produktive Ambiguität, wie man sie von zeitgenössischer Kunst sonst erwartet.“

Georg Imdahl, F.A.Z., 07.06.2022

 

Gegenerzählung mit drei Türen

„Der Staat hat auf der ganzen Linie versagt, von der Polizei über die Justiz bis zur Politik. Bis heute nicht völlig geklärt ist der rassistische Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau bei Frankfurt. Neun Menschen, die selbst oder deren Vorfahren aus Afghanistan, Bosnien, Bulgarien, Rumänien und der Türkei eingewandert sind, wurden von einem Deutschen erschossen. Deshalb hat sich Franziska Nori dazu entschlossen, das Geschehen erneut im Frankfurter Kunstverein aufzurollen. ‚Diese Ausstellung gehört in die Mitte Frankfurts, sie braucht die Aufmerksamkeit unserer Gesellschaft‘, meint Nori, die Chefin des Kunstvereins. Sie versucht eine ‚Gegenerzählung‘, um Gerechtigkeit für die Familien der Getöteten herzustellen. Mit Kunst und Ästhetik hat das nichts zu tun, aber auch das hat Tradition: Schon seit Langem engagieren sich Künstler und Institutionen auch politisch.

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Es gibt zu viele Ungereimtheiten bei all diesen Toten. Denn hinter dem Engagement des Frankfurter Kunstvereins steht die grundsätzliche Frage, wie wir künftig miteinander leben wollen.“

Christian Huther, Main Echo, 09.06.2022

 

Die Wahrheit ist in diesem Raum

„Mit der herkömmlichen Vorstellung von Kunst hat ‚Three Doors‘ wenig zu tun. Dass sie trotzdem in einer Kunstinstitution gezeigt wird und der Frankfurter Kunstverein auch direkt an ihrer Produktion beteiligt war, verweist auf ein erweitertes politisches Verständnis von Kunst. Forensic Architecture bewegt sich an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Aktivismus. Indem sie ihre Arbeiten in visueller Form präsentieren, suchen sie gezielt Öffentlichkeit, wollen aufrütteln und Reflexionen anstoßen.

Gleichzeitig wurden die Ermittlungsergebnisse der Gruppe auch schon mehrfach vor Gericht als Beweise vorgelegt. Es ist auch der Wunsch der Angehörigen von Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili-Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin und Oury Jalloh, dass die Ausstellung tatsächlich etwas bewegt. Niculescu Păun, der Vater von Vili-Viorel Păun, fordert, dass die Staatsanwaltschaft Hanau sich die Ausstellung ansieht. Sein Sohn wurde ermordet, als er versuchte, den Täter zu stoppen. Er wählte mehrfach den Notruf, doch keiner seiner Anrufe ging durch. Wäre die Polizei erreichbar gewesen, könnte er noch leben. ‚Die Wahrheit‘, sagt Niculescu Păun beim Gang durch die Ausstellung, ‚ist in diesem Raum.‘“

Norma Schneider, nd, 24.06.2022

 

Kunst, die Gerechtigkeit will

„‘Three Doors‘ ist keine normale Kunstausstellung. Nicht Ästhetik, Metaphern, Uneindeutigkeiten stehen in Vordergrund, sondern Aufklärung, Wahrheit – und Solidarität, wie die Direktorin Franziska Nori betont.

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Die Frage, ob das nun Kunst ist, erscheint im Frankfurter Kunstverein, zwischen den Stimmen der Angehörigen, nicht wichtig. Es braucht keine Metaphern, wenn das Konkrete eine so deutliche Sprache spricht. Es geht darum, wem zugehört wird und wem nicht, wessen Perspektive berücksichtigt wird und wer das Monopol darauf hat, die Welt zu deuten und Wahrheiten zu produzieren.“

Anne Strotmann, Publik-Forum, 28.06.2022

 

Entkräftete Ausreden

„Das in London und Berlin ansässige Kollektiv forschte im Auftrag der Angehörigen und Überlebenden des rassistischen Attentats, deren Anwältinnen und Anwälten und der Initiative 19. Februar Hanau mit der Mission, Ermittlungslücken aufzuklären. Der Frankfurter

Kunstverein klinkte sich ein, nicht nur als Ort der Präsentation der Ergebnisse, sondern als anteiliger Träger der Kosten. Die so entstandene Co-Produktion dieser drei Akteure ist eine Sensation. Der Fachbegriff ‚ausermittelt‘, mit dem die Gesellschaft Ereignisse wie dieses

ad acta legt, wirkt angesichts der technologisch gestützten Recherchen löchrig, lasch und gelogen.

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Ist das eine Kunstausstellung? Der Kunstverein ist Co-Produzent der Ausstellung, seine Direktorin Franziska Nori nennt sich „Curatorial Host“. Das Haus, im 19. Jahrhundert von der Bürgerschaft gegründet, wird selbst zum zivilgesellschaftlichen Instrument, 20 Kilometer vom Tatort entfernt, in der Stadt, in der eine wichtige Polizeieinheit wegen Rechtsradikalismus aufgelöst wurde. Wenn Kunst einen Auftrag hat, kann es keinen besseren für sie geben.“

Silke Hohmann, Monopol, 06.07.2022

 

11 Kunst-Filme, die sich im Juli lohnen

„Im Hessischen Landtag hat Mitte 2021 ein Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau seine Arbeit aufgenommen. Ob die Recherchen, die in ihrem Kontext zwischen Kunst und Kriminalistik balancieren, noch etwas in einem Fall ausrichten können, der als „ausermittelt“ gilt, muss sich noch zeigen. Forensic Architecture zeigen nun noch einmal nüchtern und analytisch die vielen Widersprüche der hessischen Behörden auf – und die Filme lassen große Zweifel daran aufkommen, dass hier irgendetwas abgeschlossen ist. Ein Umstand, auf die die Angehörigen der Opfer schon lange hinweisen.“

Monopol, 01.07.2022

 

Das Museum – ein Gerichtssaal

„Ob das Kunst ist? Ja sehr wohl, wenn man Kunst als etwas versteht, das den Blick in die Gesellschaft verändert. Jede Kunstform beabsichtigt das, es ist ihre Prämisse. »Three Doors«, drei Türen, sind nicht nur ein symbolkräftiges sondern ein wahrhaftiges Bild. Sie meinen die Tür zum Notausgang der Arena Bar in Hanau, die am 19. Februar 2020 verschlossen gewesen war, als die tödlichen Schüsse fielen. Sie meinen die Eingangstür des Täter-Hauses in der Hanauer Helmholtzstraße, die nicht bewacht wurde, und durch die der Täter hätte fliehen oder noch weitere Personen hätte töten können. Und sie meinen die Tür zur Dessauer Gefängniszelle des Oury Jalloh, hinter der er am 7. Januar 2005 verbrannte.

Sie meinen das nicht besetzte Notfalltelefon, das Vili-Viorel Pǎun in der Tatnacht trotz verzweifelter Versuche nicht erreichen konnte. Sie meinen die nicht gehörten Schreie des verbrennenden, auf der Matratze festgeschnürten Oury Jalloh, sie meinen das Feuerzeug, das erst drei Tage nach der Ermittlungsaufnahme gefunden wurde und bezeugen sollte, das er sich selbst angezündet hatte. Sie meinen den rechtsextremen Chat von 13 Polizisten, die bei der Ermittlungsarbeit im Falle von Hanau hinzugezogen worden. Sie meinen die Aussage von Polizeibeamten, die selbst zugaben, in Hanau nicht so gründlich ermittelt zu haben, weil der Täter ja Selbstmord begangen habe und die Tat somit aufgeklärt sei.

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Es zerreißt einem das Herz. Was es natürlich nicht tun sollte, bei aller wissenschaftlichen Akribie, die Forensic Architecture hat walten lassen. Bei all der nüchternen Präsentation, bei den Schautafeln, Wohnungsplanskizzen, bei der Rekonstruktion des Helikopterfluges, der minutiösen Aufarbeitung der Schallverhältnisse, beim Nachvollzug des Eintreffens des SEK, bei der Platzierung der SEK-Wagen um das Täterwohnhaus in der Hanauer Helmholtzstrasse. Man verliert die Fassung, wie hier mit feinster Akkuratesse alle Fehler, alle Unterlassungen, alle Vertuschungen der Polizei, der Ermittler, aufgelistet werden. Bis heute ist kein einziges Wort der Entschuldigung für die Versäumnisse, Ungenauigkeiten und Unterlassungen gefallen, vielleicht kommt das ja noch. Nach DIESER Ausstellung. Am besten gehen alle hin.“

Susanne Asal, Strandgut, 03.07.2022