Melanie Bonajo: Single Mother Songs from the End of Nature
01.06.2017 — 27.08.2017
Der Frankfurter Kunstverein präsentierte die erste große institutionelle Einzelausstellung der niederländischen Künstlerin Melanie Bonajo in Deutschland. Die künstlerische Praxis von Melanie Bonajo ist geprägt von einem kritischen Blick auf den Zustand der Welt. Ihre Werke entstehen vor dem Hintergrund einer explizit kapitalismuskritischen Haltung und einem ambivalenten Verhältnis gegenüber der modernen Fortschrittseuphorie. Die Künstlerin sucht in ihren Arbeiten nach alternativen Weltbildern und Formen des friedlichen Widerstandes in der von Krisen erschütterten Welt. Politisch und aktivistisch widmet sich Bonajo dringlichen und andauernden gesellschaftlichen Themen unserer Zeit, wie dem Dualismus zwischen Mensch und Natur, den rasant schwindenden Ressourcen und den Auswirkungen des Klimawandels. Ihre Videos, Performances, Fotografien und Installationen sind Ergebnis meist jahrelanger Prozesse. Mittels genauer Beobachtung, dem Sammeln und Kategorisieren geht sie den existenziellen Fragen des Menschseins auf den Grund. Am Ende ihrer Reflexion stehen stark ästhetische Werke, die es den BetrachterInnen ermöglichen, sich den Themen unserer Zeit in sinnlich erfahrbaren Szenarien zu nähern.
Melanie Bonajo arbeitet vor dem Hintergrund eines geschichtlichen Moments, in dem die Entkopplung zwischen Mensch und Natur eine eklatante Zuspitzung erfährt. Dieser Dualismus hat seinen Ursprung in der Epoche der Aufklärung. Als freies Subjekt trat der Mensch aus der Einheit mit der Natur heraus und betrat stattdessen die Sphäre der Kultur, in welcher er sich zum Gestalter der Welt erhob. Diese Trennung von Kultur und Natur, die Beherrschung der Umwelt und das Streben nach stetem Fortschritt gelten seither als Grundlage des modernen Weltbildes. Aktuelle Debatten kreisen um die dringliche Notwendigkeit eines kulturellen Wandels: im Feld der Ethik, der Wissenschaft und des menschlichen Selbstbildes scheint sich eine Neubesinnung abzuzeichnen, die in Zukunft zu einer Veränderung im Umgang mit der natürlichen Umwelt und unseren Mitmenschen führen muss.
Vor dem Hintergrund des Gefühls wachsender Entfremdung sind die Figuren in Bonajos Filmen auf der Suche nach alternativen Lebensformen und neuen Ritualen, die ein verändertes Verhältnis zu Natur und zu Gemeinschaft ermöglichen sowie nach einem alternativen Umgang mit Körper und gesellschaftlich definierten Geschlechterrollen. Die Filme sind dokumentarisch, öffnen sich jedoch einer fiktionalen Dimension, die aus der Imagination der Protagonistinnen entsteht und bis hin zu surrealen Bildwelten ausgeweitet wird.
Bonajo zeigt Menschen, die auf der Suche nach alternativen Lebensformen sind: antikapitalistische Gemeinschaftsbildung, eine befreite Auffassung von Sexualität und Körperlichkeit, alternative Methoden der Nahrungsmittelerzeugung, nachhaltiger und sorgsamer Umgang mit der natürlichen Umwelt. Die vor allem weiblichen Figuren stehen für ein radikal ethisches Andersdenken und eine Haltung des Widerstands gegen den aktuellen Lebensstil im Zeitalter einer globalisierten, kapitalistischen, digitalisierten und vernetzten Welt. Die Künstlerin lässt die weiblichen Protagonistinnen in den Videos zu Wort kommen und sie über ihre individuelle Weltanschauung sprechen. Dabei bietet Bonajo Raum für assoziative Selbstdarstellungen, indem sie Kostümierungen und farbenreiche Szenerien bereitstellt, mit denen die Protagonistinnen ihre Haltung zur Welt in phantasievolle Interpretationen übersetzen können.
Für die Präsentation der Arbeiten im Frankfurter Kunstverein erweiterte Bonajo in Zusammenarbeit mit Théo Demans den filmischen in den Realraum und schuf farbintensive, raumgreifende Installationen. Die Künstlerin konstruierte psychedelische Parallelwelten, die die BesucherInnen einluden, in kontemplative Erfahrungsräume einzutauchen, in denen sie für den Moment ihres Aufenthalts neue Gemeinschaften bildeten.
Das Ausstellungsdesign entsteht in Kooperation mit Théo Demans. Das Ausstellungs-design für Night Soil ist eine Kooperation von Théo Demans mit Clemence Seilles.
Die Ausstellung wird kuratiert von Franziska Nori, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins.